Premier League Offside: Folge 34

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Autor: Carsten Germann
Veröffentlicht: 03.03.2023

Veröffentlicht in Premier League Offside

Wembley – Manchester United verscheicht die bösen Geister

Der erste Titel im neuen Jahr ist auf der Insel traditionell der Liga-Pokal, der inzwischen Carabao Cup heißt. Am 26. Februar 2023 erlebte Fußball-England in Wembley einen Final-Sonntag mit einer besonderen Konstellation. Es war das Duell des (einstigen) Branchenriesen Manchester United gegen den finanziell aus Saudi-Arabien gesteuerten Emporkömmling Newcastle United. Der Altmeister aus Old Trafford behielt mit 2:0 (2:0) die Oberhand. Aber es wurde ein Triumph mit Misstönen. Und vielen Fragezeichen. Die wichtigste: Wer kauft Manchester United?

Dabei ist es bei einer Fußballreise nach England ein absoluter Hit, sich eine Partie Wembley-Stadion anzusehen. Für diese Kolumne war die Begegnung zwischen Manchester und Newcastle United die zweite Final-Begegnung, die ich für Sie, liebe Leserinnen und Leser, begleiten durfte. Nach Nottingham Forests Premier-League-Rückkehr 2022. Den Zauber des englischen Fußballtempels habe ich auch im August 2009 im Community-Shield-Finale mit den „Red Devils“ und dem FC Chelsea live sowie mit Man. United gegen Leicester City 2016 (2:1, Traumtor von Zlatan Ibrahimovic in seinem ersten Fall für United) erleben dürfen.

Es ist etwas Besonderes. Unabhängig von der Partie. So war es auch dieses Mal.

Gegen Mittag bevölkerten die Fans aus Newcastle den Brunnen am Trafalgar Square. Ab 13.30 Uhr britischer Zeit, 3 Stunden vor dem Spiel, marschierte auf dem Olympic Way – von dort hat man den besten Ausblick – die schwarz-weiß gekleidete „Toon Army“ von Newcastle United zum Stadion. Auf der anderen Seite hatten die US-amerikanischen Eigentümer von Manchester United 30.000 rote Balken-Schals auf den Sitzplätzen für die Fans des Rekordmeisters platziert.

Fans auf dem Weg ins Wembley Stadion

Der Weg ins Wembley-Stadion: Fußballfans in England lieben diese Aussicht. Foto: Shutterstock

„We want Glazers out“

Kleine Aufmerksamkeit. Denn die US-amerikanische Eigentümerfamilie wird nie die Herzen der Anhänger in Manchester erobern. Dass diese Verachtung für die Glazers allgegenwärtig ist, spürte man auch bei diesem Finale. Viele Banner richteten sich gegen die Klub-Eigentümer aus den Vereinigten Staaten.

Nach gut 20 Minuten gab es in Wembley die ersten „We want Glazers out“-Gesänge der Manchester-Fans. Auf gut Deutsch: Raus mit den Glazers. Okay, das ist seit 2005 und seit der ersten Übernahme-Schlacht um die damals wertvollste Marke im Weltfußball, nicht neu. Aber vermutlich geht das Drama nun in den Schlussakt.

Die Eigentümerfamilie, die durch Avram Glazer auf der Ehrentribüne vertreten war, hatte im November 2022 verlautbaren lassen, dass sie „für Angebote zum Verkauf des Vereins offen“ sei. Manchester United for sale.

Die Fans von Manchester United gegen die Besitzerfamilie Glazer auf

Seit Jahren begehren die Fans von Manchester United gegen die Besitzerfamilie Glazer auf. Foto: Shutterstock

Das spektakulärste Angebot kommt aus Katar. Scheich Jassim Bin Hamad Al Thani hat Mitte Februar ein Angebot zur Übernahme des Manchester United Football Club abgegeben – mit 100 Prozent Übernahme der Anteile.

8,4 Milliarden Euro

„Das Angebot sieht vor, den Verein zu seinem früheren Ruhm zurückzuführen“, hieß es gewohnt blumig vom Persischen Golf in einer Mitteilung der Nine Two Foundation des in England ausgebildeten Bankchefs Al Thani. Bei den Glazers denkt man an eine Summe von 8,4 Milliarden Euro, wie die Agentur Reuters berichtete.

Der katarische Fonds Qatar Sports Investments (QSI) gehört schon seit 2011 zu den Big Players im Weltfußball, seit man beim französischen Hauptstadtklub Paris St.-Germain einstieg. Nach der erfolgreichen WM 2022 in Katar ist das Ziel der ehrgeizigen Macher am Golf, nun auch in der Premier League Fuß zu fassen.

Von daher war im Carabao Cup-Finale, das zur Halbzeit zugunsten von Manchester United mit 2:0 praktisch gelaufen war, der gelegentliche Blick auf die Ehrentribüne mit Avram Glazer, United-Trainerlegende Sir Alexander Chapman Ferguson (81 / holte mit dem Klub 32 Titel), und den nicht minder ambitionierten Eigentümern von Newcastle United fast spannender als das Match.

Newcastle: Investment von 430 Milliarden Euro

2021 hatte sich der vom Königreich Saudi-Arabien (WM-Bewerber mit Ägypten und Griechenland für 2030, wir freuen uns schon…) mit großzügigsten 430 Milliarden Euro aufgelegte Staatsfonds Public Investment die Übernahme von Newcastle United gesichert. Mit dem Vorsitzenden, Kronprinz Mohammed Bin Salman. Flankiert von der britischen Managerin Amanda Staveley und den Metall-Milliardären und Immobilien-Tycoons David und Simon Reuben.

Staveley war die Gastgeberin in der Ehrenloge – und um 16.24 Uhr war die Stimmung wohl auch dank des anwesenden Moderatoren-Duos Ant & Dec (Anthony McPartlin und Declan Donnelly aus Newcastle upon Tyne, Weltkarriere unter bürgerlichem Namen nicht möglich) überragend. Besser neureich sein als nie reich sein. Und in Gesellschaft nicht allein.

Lassen wir Falco († 1998) außen vor, dann tat sich 7 Minuten vor dem Ende aber auch dort die pure Tristesse auf.

Manchester United wehrte mit seinem ersten Titelgewinn seit 2017 den Ansturm der „Magpies“ ab. Auch das mit 185 Millionen Euro aufgerüstete Team von Trainer Eddie Howe – allein für den früheren Dortmunder Alexander Isak zahlte man 70 Millionen Euro an Real Sociedad San Sébastian – konnte die seit 1955 anhaltende Titel-Flaute von Newcastle United nicht beenden.

Und Amanda Staveley? Sie musste am Ende ihre Spieler trösten, die unter den nicht wirklich passenden Klängen von U2 und „Beautiful Day“ die 107 Stufen zur Ehrentribüne hoch schlichen. Gut, diese Treppen mussten die Sieger von Manchester United auch hochklettern, aber mit dem Gefühl des errungenen Sieges geht das weitaus leichter.

„Für die Gemütslage und fürs Prestige ist dieser Erfolg für Manchester United extrem wichtig“, schrieb England-Legende Keir Radnedge, „man signalisierte den Neureichen aus Newcastle: So leicht kommt ihr an uns nicht vorbei. Nicht in diesem Spiel, nicht auf Dauer.“

Carsten GermannDer Autor: Carsten Germann berichtet seit 2002 aus erster Hand über den englischen Fußball, u. a. für DIE WELT, BILD am SONNTAG und seit April 2021 auch als leitender Redakteur beim Portal Fussballdaten.de. Zudem gab er mit den Büchern Football’s home (2007) und Absolute Dynamite! (2010) zwei Sammelbände mit seinen Fußball-Reiseerlebnissen aus Großbritannien heraus. Für DIE FUSSBALLREISE schreibt er regelmäßig über den Insel-Kick.

 


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