Am 20. September 2024 jährte sich der Todestag von Brian Howard Clough († 69) zum 20. Mal. Der ebenso geniale wie kontroverse Trainer, der Nottingham Forest zu zwei Europapokal-Erfolgen führte, gehört bis heute zu den erfolgreichsten Managern in England und liefert auch zwei Jahrzehnte nach seinem Tod immer noch Stoff für die Fußball-Stammtische.
Die A52 verbindet Nottingham und Derby. Seit August 2005 heißt sie „Brian Clough Way“, denn sie steht für den Weg zwischen den beiden erfolgreichsten Clubs, die Brian Howard Clough trainiert hat.
So lebt Brian Clough weiter. Seit 2008 steht in der Innenstadt von Nottingham eine Statue des unbequemen Trainers, der es verstand, vergleichsweise kleine Teams groß zu machen. Er stand für die größten Erfolge von Nottingham Forest und Derby County.
Seine Ehrentafel: Englischer Meister 1972 mit den „Rams“ aus Derby, die er erst 1969 in die First Division gebracht hatte, und 1978 mit Nottingham Forest, Europapokalsieger der Landesmeister mit Forest 1979 gegen Malmö FF in München und 1980 gegen den HSV in Madrid (jeweils 1:0), UEFA Supercup 1979 gegen den FC Barcelona (1:0), vier Mal englischer Ligacupsieger (zuletzt 1990) mit Forest.
Die neue Premier-League-Ära erlebte „Cloughie“ in seinem letzten Jahr 1992/93 bei Forest noch mit, an die alten Erfolge vermochte er aber nicht mehr anzuknüpfen.
Vor 50 Jahren erlebte der Erfolgstrainer die größte Pleite seiner Laufbahn – Die 44 Tage des Brian Clough bei Leeds United.
Sie wurden 2009 mit Michael Sheen als Clough für das Kino aufbereitet. Der Film basiert auf dem Bestseller The Damned United von David Peace. Ich hatte 2009 Gelegenheit, für mein Buch Absolute Dynamite! mit Peace über Clough zu sprechen.
Rollen wir die Tapete auf – Clough in Leeds oder: Tage des Zorns.
„Was ist hier eigentlich los?“
Brian Clough tauchte in Leeds erst am 31. Juli 1974 auf, also 10 Tage vor dem Saisonstart mit dem Community Shield gegen den Pokalsieger FC Liverpool in Wembley am 10. August. Er hatte seinen Urlaub auf den Balearen eigenmächtig verlängert.
Dass der Empfang beim ersten Training an der Elland Road für ihn frostig war, konnte also kaum verwundern. Leeds-Clubchef Manny Cussins brüllte den neuen Coach direkt auf dem Parkplatz an: „Du bist verdammt spät dran!“
Eine Begrüßung, die nicht gerade an einen Hallelujah-Choral erinnerte. Für Brian Clough war schon jetzt alles verloren.
Erst recht, nachdem er seinen Spielern um Kapitän Billy Bremner, Eddie Gray und Norman Hunter († 2020) direkt empfahl „alle ihre Medaillen in den Müll zu werfen.“ Das ist unfein.
„Als er zu Wochenbeginn als neuer Trainer feststand, haben wir gespannt auf ihn gewartet“, erzählte Norman Hunter später, „aber der Montag, der Dienstag und der Mittwoch gingen vorbei und wir fragten uns immer wieder: ,Wann kommt er endlich?`, ,Was ist hier eigentlich los?`, und als er da war, hat er uns gleich einmal aufs Übelste beleidigt.“
Gut, eine Charme-Offensive des kontroversen Clough, der anders als sein Vorgänger und Erzfeind Don Revie („The Don“ / † 1989) nie Ergebnisse über Spielstil stellte, hatte in Leeds sowieso niemand erwartet.
Clough out of Control. Er brachte mit Sprüchen wie „Wenn du ein Pferd wärst, hätten sie dich schon vor Jahren eingeschläfert“ (zu Gray) und „Du bist so ein dreckiger Kerl, du würdest gern geliebt werden, oder?“ (zu Hunter) die komplette Kabine gegen sich auf.
„Eine der dramatischsten Episoden des englischen Ligafußballs“
„Seine 44 vergifteten Tage an der Elland Road“, bilanzierte England-Legende Keir Radnedge am 2. September 2024 im Kicker-Sportmagazin, „bleiben eine der dramatischsten Episoden des englischen Ligafußballs. Die Rivalität zwischen Clough und seinem Vorgänger in Leeds, Don Revie, ist legendär.“
Der britische Autor David Peace hat Cloughs Desaster in Leeds 2006 unter dem Titel The Damned Utd. literarisiert. „Ich wollte die geheime Geschichte von Leeds United schreiben“, verriet mir Peace im Sommer 2009, „und heraus kam ein Buch über Brian Clough.“ Als Quellen und als Inspiration dienten Peace u. a. die Biografie Bremner! von Bernard Bale über den 1997 verstorbenen schottischen Superstar von Leeds United, The Unforgiven über Don Revie und Leeds United, sowie die beiden Klassiker Saturday Night and Sunday Morning (1958) und The Loneliness of the Long Distance Runner (1959) von Alan Sillitoe.
David Peace gab mir eine simple Erklärung für Cloughs Scheitern in Leeds: „Er war einfach der falsche Mann, der zur falschen Zeit am falschen Ort war.“
Peace schilderte Cloughs 44 Tage in Leeds aus der Sicht des Trainers mit der Erzähltechnik des Stream of Consciousness, einer Sonderform des inneren Monologs. Damit gelang ihm eine Verfremdung der Geschichte. „Es ist Fiktion, die auf Fakten basiert“, erklärte David Peace damals.
Zu diesen unangenehmen Fakten gehörte auch dies hier: Schon nach wenigen Tagen fand Clough in seinem Büro einen Stapel von Drohbriefen und Morddrohungen. Um die Lage in Leeds unter Kontrolle zu bringen, brauchte er einen Spion im Team. Er rief den Stürmer Duncan McKenzie an, der bei Nottingham Forest unter Vertrag stand. Bei einem geheimen Treffen in Sheffield versprach ihm Clough, seine Loyalität mit 200 Pfund pro Woche zu belohnen. McKenzie war mit von der Partie. Cloughs neuer „IM“ (vgl. „IM Lothar“ bei Bayern München 1995), wechselte für 250.000 Pfund von Nottingham nach Leeds. Gewohnt unbescheiden gab sich Clough bei der Pressekonferenz zu diesem ominösen Wechsel: „Es gab keine Probleme bei dem Transfer. Wenn jemand die Chance hat, für Leeds United und für Brian Clough zu spielen, gibt es nie Probleme.“
„Hau ab, denn du bist nicht Don Revie!“
Am 24. August 1974 traten Clough und Leeds gegen Birmingham City an. Nach 25 Tagen im Amt grüßt ihn in der Kabine niemand mehr. Niemand wünschte ihm noch Glück. Leeds gewann trotz dieser Kelloggs-Frosties-Atmosphäre mit 1:0 und Clough frohlockte: „Niemand kann uns jetzt noch stoppen.“ Es sollte sein einziger Heimsieg mit den „Whites“ bleiben…
Schon zwei Tage später erwartete ihn auf dem Weg zum Trainingsplatz wieder einmal ein Menetekel: „Clough out“ („Clough raus“) stand einer Mauer. Tja, Wayne wundert`s?
Seine Uhr lief schnell ab. 1:2 gegen Manchester City, am 1. September 1974 standen Clough und Leeds auf dem 19. Rang – mit nur einem Punkt vor den noch sieglosen „Spurs“ aus Tottenham.
Am 7. September 1974 war Clough dann so weit, dass er vor dem Heimspiel gegen Aufsteiger Luton Town (1:1) gar nicht mehr in die Kabine ging, um noch die Aufstellung bekannt zu geben. Das sollte gefälligst sein Co-Trainer Jimmy Gordon machen!
Seinen kongenialen Assistenzcoach Peter Taylor († 1990), mit dem er in Derby und Nottingham höchst erfolgreich zusammenarbeitete, hatte Brian Clough nicht mit nach Leeds gebracht – ein Kardinalfehler, wie sich weisen sollte.
Auf den Rängen an der Elland Road war die Atmosphäre nach dem Katastrophenstart längst auf einem tieferen Tiefpunkt: 26.450 Leeds-Fans sangen gegen Luton „Clough, hau ab – denn du bist nicht Don Revie!“
Tja, „der Don“ war weg – er hatte Leeds zu den größten Erfolgen geführt: Zwei Mal Messe-Cup-Sieger (1968, 1971), Englischer Meister 1969 und 1974, FA Cup-Sieger 1972.
Und falls Sie sich fragen, warum Leeds United immer nur komplett in Weiß spielt: Diese Änderung der Vereinsfarben ließ der Don höchst selbst vornehmen – als Reminiszenz an das große Real Madrid.
90.000 Pfund für 44 Tage
1974 wurde Don Revie englischer Nationaltrainer. Sein Nachfolger Brian Clough nahm am 10. September 1974 im Liga-Cup gegen Huddersfield Town (1:1) zum siebten und letzten Mal auf der Bank von Leeds United Platz.
Seine desaströse Bilanz: Ganze 5 Punkte, bei 4 Niederlagen und 2 Remis. Am 12. September 1974 gab Leeds United die Trennung bekannt.
Bevor Clough ging, kassierte er aber noch 90.000 Pfund Abfindung – damals ein Vermögen – und seinen Dienst-Mercedes ab.
In seiner Autobiografie Walking on Water schrieb Brian Clough 2002 mit viel Selbsterkenntnis über das Leeds-Desaster: „Wenn ich zurückblicke, muss ich sagen, dass es mein größter Fehler war, diesen Job anzunehmen. Leeds war nichts für mich und ich war nichts für Leeds.”
True Story.