Eine (Fußball)-Reise nach Belfast: Auf den Spuren von George Best

Carsten Germann am Millerntor

Author: Carsten Germann
Published: 25.10.2024

Veröffentlicht in Premier League Offside,

George Best (1946 – 2005) – Nordirlands Ausnahmefußballer ist auch 50 Jahre nach seinem letzten Spiel für Manchester United in Belfast allgegenwärtig. Davon konnte ich mich auf einer Rundreise durch Irland und Nordirland in der Länderspiel-Pause im Oktober 2024 selbst überzeugen. George Best und Belfast – Sollte die nordirische Hauptstadt (hoffentlich) Spielort für die EURO 2028 bleiben, ist das ein Muss für jeden Besucher. 

Die Titanic hatten wir schon hinter uns. An unserem letzten Reisetag vor der Rückkehr nach Dublin besuchten wir in Belfast das Museum und das ehemalige Dock des ebenso legendärsten wie unglückseligsten Passagierschiffes aller Zeiten.

Dann ging es, chauffiert von unserem Reiseleiter, dem Kölner Historiker Dr. Ingo Niebel, quer durch Belfast auf Spurensuche. 

Vor 50 Jahren: George Best in seinem letzten Fall

George Best – Er darf bei einem Besuch in der nordirischen Metropole nicht fehlen. 
Denn der von Legenden umwitterte Außenstürmer, der am 1. Januar 1974 letztmals für Manchester United spielte (George Best in seinem letzten Fall), ist in seiner Heimatstadt auch fast 2 Jahrzehnte nach seinem Tod allgegenwärtig.

Zwar ist die Heldenverehrung von „Bestie“ nicht zu vergleichen wie die fast abgöttische Ehrerbietung für Diego Armando Maradona († 2020) in Neapel, aber es gibt genügend Spuren, die die Erinnerung an George Best, jenen fußballerisch so begnadeten „Belfast Boy“, lebendig erhalten.

Das Zentrum ist natürlich das George Best House, sein ehemaliges Wohnhaus, 16 Burren Way, im Stadtteil Cregagh, im Südosten der Stadt. Hier lebte Best bis zu seinem Wechsel zu Manchester United im Jahr 1963.

Fussballreise-Tipp: Unbedingt mit einem Vorlauf von mindestens einer Woche eine Termin für eine Besichtigung ausmachen, denn das George Best Haus kann auch an geöffneten Tagen nicht immer einen Tour Guide zur Verfügung stellen.

Die Fassade des George Best House ziert – wie an vielen anderen Stellen in Belfast – ein Mural, ein Wandgemälde des „fünften Beatle“, wie der Europapokalsieger der Landesmeister von 1968 genannt wurde. Es zeigt Best im Nationaltrikot von Nordirland, welches er zwischen 1964 und 1978 insgesamt 37-mal überstreifte.

George Best und die IRA

Ein großes WM- oder EM-Turnier spielte der Rechtsaußen aber nie. Der Protestant Best, ein Unterstützer des Predigers und späteren Politikers Ian Paisley († 2014), einer ebenso schillernden wie umstrittenen Figur im Nordirland-Konflikt, geriet ins Visier der Paramilitärs von der IRA (Irish Republican Army) und trat 1978 aus der Nationalmannschaft zurück. 

Die britische Zeitung Daily Telegraph bestätigte 2018 mindestens eine Mord-Drohung der IRA gegen George Best, nämlich beim First-Division-Spiel mit Manchester bei Newcastle United am 23. Oktober 1971 im St. James‘ Park. 

Der erste Fußball-Popstar Großbritanniens („Ich habe den meisten Teil meines Geldes für Schnaps, schnelle Autos und schöne Frauen ausgegeben. Den Rest habe ich einfach verprasst.“) sollte während des Spiels erschossen werden. 

Best verbrachte die Stunden vor dem Spiel allein im Hotel und unter Polizeischutz. Wie der Autor Michael Walker in seinem Buch Green Shots – Irish Football Histories aufzeigte, gab es allein im Oktober 1971 eine Mordserie von 33 Fällen in Nordirland.

Der in die Schusslinie geratene George Best nahm die Warnungen der Polizei zwar sehr ernst, doch er lief in Newcastle auf – und gewann mit Man. United 1:0. Natürlich blieb das Siegtor dem Meister selbst vorbehalten. „George war sehr tapfer“, erinnerte sich sein damaliger Teamkollege Alan Gowling 2018 im Daily Telegraph, „aber es war eine andere Art von Tapferkeit.“

George Best Belfast

Das George Best Mural in der Blythe Street in Belfast. Foto: Carsten Germann für die-fussballreise.de

George Best? Nächste Ecke!

Möglich. Sicher aber war es eines der 470 Spiele (179 Tore) für Manchester United, die ewig in Erinnerung bleiben werden.

Weiter ging es in die Blythe Street. In dieser Seitenstraße – man muss schon aufpassen, nicht unachtsam daran vorbei zu marschieren – findet sich das Wandgemälde des nordirischen Superstars, welches auch als einziges bei Google Maps als „George Best Mural“ gelistet ist. Es zeigt ihn im United-Trikot am Ball, zwischen dem Vereinslogo der „Red Devils“ und dem Wappen des nordirischen Fußballverbandes.
Belfast ist – wie auch Londonderry, das wir auf unserer Rundreise zuerst besuchten – eine Stadt voller Wandgemälde. Sie geben die Geschichte von „The Troubles“, jenes so lange schwelenden politischen Konflikts, der erst mit dem Karfreitags-Abkommen am 10. April 1998 formal beendet wurde, wieder. 

Das Konterfei von George Best findet sich auch in der Woodstock Road im Osten von Belfast. 

Zwei Jahre vor seinem Tod habe ich mich 2003 nach einem seiner letzten Alkohol-Abstürze („Ich würde gerne den Anonymen Alkoholikern beitreten. Das Problem ist: Ich bin nicht anonym.“) für DIE WELT mit George Best beschäftigt und ihn 2007 in meinem Buch Football’s home – Geschichten vom englischen Fußball gewürdigt. Illustriert war der Buch-Text damals mit George Bests Wandgemälde an Nordirlands Nationalstadion Windsor Park. 

Es findet sich an einem der Stadioneingänge und zeigt Best ebenfalls im United-Trikot und kurioserweise nicht im grünen Dress der nordirischen Mannschaft. Dort werden bis heute immer Blumen und Schals niedergelegt.

In Grün-Weiß ist George Best dagegen auf einer Hausfassade einer schmucklosen Mietskaserne in Cappagh Gardens in Cregagh verewigt.

Als George Best am 3. Dezember 2005 zu Grabe getragen wurde, säumten 100.000 Menschen die Straßen von Belfast. „Farewell to the Master“, war die letzte Titelseite mit Best. Auch Robert Crossett aus der berühmt-berüchtigten Belfaster Shankill-Area war dabei: „Ich habe diesen Mann verehrt, seit ich ihn in den Siebzigern gegen Holland spielen sah“, sagt Crossett, „es ist das erste Mal, dass dieses Land jemals vereint war – und das bei einer Beerdigung.“

Carsten Germann am Millerntor

Der Autor: Carsten Germann berichtet seit 2002 aus erster Hand über den englischen Fußball, u. a. für DIE WELT, BILD am SONNTAG und seit April 2021 auch als leitender Redakteur beim Portal Fussballdaten.de. Zudem gab er mit den Büchern Football’s home (2007) und Absolute Dynamite! (2010) zwei Sammelbände mit seinen Fußball-Reiseerlebnissen aus Großbritannien heraus. Für DIE FUSSBALLREISE schreibt er regelmäßig über den Insel-Kick.

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