Magischer FA Cup: Wann gab es das ,,Aus" für Liverpool, City, Chelsea gegen Underdogs?

Carsten Germann am Millerntor

Author: Carsten Germann
Published: 11.02.2025

Veröffentlicht in Premier League Offside,

„Und nun die Nachrichten…“ Plymouth Argyle gegen den FC Liverpool 1:0. Fußballreisen und Tickets FA Cup gehören aufgrund der riesigen Tradition zu den Wettbewerben, die in Fußball-England stark angefragt sind. Der FA Cup lebt von großen Namen, aber auch von unvergessenen Außenseitern. Seit dem 9. Februar 2025 ist die Geschichte des FA Cup um eine Sensation reicher. Plymouth Argyle aus der zweitklassigen Championship schlug Premier-League-Tabellenführer FC Liverpool mit 1:0 (0:0). 

Es kommt nicht oft vor, dass Tageszeitungen in Österreich mit einem Spiel aus England aufmachen. Am 10. Februar 2025 war das bei der Wiener Kronen-Zeitung der Fall – und das lag an dem Mann, der das nächste FA Cup-Wunder gecoacht hatte. Es war Miron Muslic, österreichischer Trainer von Plymouth Argyle. 

„Sensation – Muslic wirft Liverpool raus!“, titelte die Krone zum Coup mit dem ehemaligen Trainer des oberösterreichischen SV Ried und von Cercle Brügge in Belgien.

„Das ist mit das beste Team, das der Weltfußball zu bieten hat“, sagte Muslic vorab der Zeitung, „wenn es dann soweit ist, wird mich richtig das Fieber packen, werde ich mich nochmal kneifen müssen.“

Diogo Jota Plymouth Liverpool

Der FC Liverpool und Diogo Jota scheiterten am 9. Februar 2025 im FA Cup als Tabellenführer der Premier League am Schlusslicht der Championship, Plymouth Argyle. Foto: Imago Images / Sportimage

„Mit einem Traum hergekommen“

Das musste er wohl! Ebenso wie Ryan Hardie, der mit seinem Elfmeter-Tor gegen „The Slot Machine“, wie der FC Liverpool unter Trainer Arne Slot auch genannt wird, die Sensation besiegelte.

„Wir sind alle mit einem Traum hierhergekommen“, sagte Hardie anschließend bei TNT Sports, „und haben ihn wahr werden lassen.“ 

Slot hatte „das beste Team, das der Weltfußball zu bieten hat“ (Muslic), den Tabellenführer der englischen Premier League mit einem Marktwert von knapp einer Milliarde Euro, auf zehn Positionen verändert. 

Der Niederländer verzockte sich! Ohne Stars wie den Ex-Leipziger Dominik Szoboszlai, Cody Gakpo oder Top-Torjäger Mo Salah verspielte Liverpool, das wenige Tage zuvor noch so souverän gegen Tottenham Hotspur (4:0 / EFL-Cup-Halbfinale) sein erstes Finale eingefahren hatte, den Traum von 4 Titeln in dieser Saison. 

Dass sich mit dem FC Liverpool der Tabellenführer der englischen Premier League in Runde 4 und gegen den 24. und Letzten der Championship verabschiedet, also gegen ein unterklassiges Team, dieses Phänomen gab es seit dem Jahr 2000 vier Mal. 

Blicken wir auf diese legendären Spiele!

2018: „Wonderwall“ vs. „Will Grigg’s on Fire!“

Das war zum einen die letzte Sensation vor dem Spiel im Home Park, Wigan Athletic gegen Manchester City 2018.

Der damals in der drittklassigen Football League One firmierende Ex-Premier-League-Club eliminierte im Achtelfinale 2017/2018 Premier-League-Spitzenreiter Manchester City.
Der Song auf den Tribünen des DW Stadium war schon vorher ein Hit. Seit der EURO 2016 trällerte ihn halb Europa: „Will Grigg’s on Fire!“ (Melodie: Freed from Desire, Gala, 1997). 

Die Prognosen waren die gleichen wie vor Plymouths Coup gegen Liverpool. „Man kann etwas gegen Manchester City ausrichten“, sagte BBC-Kommentator Steve Wilson bei Match of the Day bei Gary Lineker, „das dürfte Paul Cook (Trainer von Wigan Athletic, d. Red.) seinem Team gesagt haben, aber das ist Manchester City, das ist eines der besten Teams, die der englische Fußball je gesehen hat.“

Ja, dennoch erzielte der nordirische Stürmer Will Grigg das entscheidende 1:0 (79.). Bei Spielende erklang aus den Lautsprechern ein Song der Band, die es eigentlich mit Manchester City hält, die aber im nur 30 Kilometer entfernten Wigan ebenfalls zu den Local Heros gerechnet werden darf: Oasis mit „Wonderwall.“

Für die Fans von Wigan Athletic war es das Signal zum Platzsturm. 

2:1 gegen Leeds – In Cardiff brachen alle Dämme

Auch in Cardiff hielt es am 6. Januar 2002 niemanden mehr auf den Rängen. Cardiff City gegen den Champions-League-Halbfinalisten von 2001, gegen Leeds United 2:1.

Man wäre vor dem Anstoß kaum auf den Gedanken gekommen, dass „The Peacocks“, unter anderem mit Rio Ferdinand, Jonathan Woodgate, David Batty, Lee Bowyer, Robbie „The God“ Fowler und Mark Viduka in der Startelf, in der walisischen Metropole scheitern könnten.

Doch Scott Young (87.) sorgte für einen ähnlichen K.o.-Schlag wie Jahre später Will Grigg. Die „Pitch Invasion“ hatte Folgen: Vier Fans wurden verhaftet, Ian Harte und Danny Mills von Leeds United wurden von Wurfgegenständen getroffen. 

FA Cup ist leider nicht immer Party…

Zum guten Schluss gehen wir an die Londoner Stamford Bridge. Januar 2015. Auf dem Plakat posierte kein Geringerer als Chelseas legendärer Stürmer Didier Drogba mit dem Champions-League-Pokal, den er mit den „Blues“ im Finale 2012 in München gegen Gastgeber FC Bayern gewonnen hatte. Ein Foto wie aus einer anderen Galaxie. An diesem Samstag reiste der in Manchester wohnhafte Politikwissenschaftler Adam Ratcliffe mit rund 6.000 weiteren Anhängern des drittklassigen Bradford City FC nach London zum FA-Cup-Spiel gegen den großen FC Chelsea

Chelsea Bradford 2015

Januar 2015: 6.000 mitgereiste Bradford-Fans feiern ihr Team nach dem FA Cup-Triumph bei PL-Tabellenführer FC Chelsea. Foto: Adam Ratcliffe / Archiv cg

Das größte Spiel der 2010er-Jahre

Weder der vor Selbstvertrauen strotzende Chelsea-Coach José Mourinho, („Ich habe nie gesagt, dass ich der Beste bin. Ich habe nur gesagt, dass ich keinen Besseren kenne.“) der sein Team im Vergleich zum 1:1 im Liga-Spiel in Liverpool auf neun Positionen verändert hatte, noch Bradford-Fan Adam Ratcliffe, sein Bruder Nick und seine Freunde Liam Ramsden und Jack Diamond ahnten, was dieser bitterkalte Fußballabend an der Stamford Bridge bringen könnte…

Es wurde nicht nur ein „One of the all-time FA Cup shocks“, einer der größten Schocker für einen Favoriten in mehr als 130 Jahren FA Cup, wie der Independent schrieb, sondern ein Triumphzug für Traditionalisten und Berufs-Außenseiter. 

Die Partie vom 24. Januar 2015 wurde von der Zeitung Telegraph & Argus im Jahr 2019 zum „Spiel der 2010er-Jahre“ gewählt. 

„The Blue“ vom FC Chelsea schienen nach Toren von Gary Cahill und Ramires wie der sichere und erwartete Sieger auszusehen. Jon Stead verkürzte vor der Pause auf 1:2, ehe Filipe Morais, Andy Halliday und Mark Yeates die Partie in der Schlussviertelstunde zugunsten von Bradford City kippten. Dass mit Morais ein Spieler traf, dem man beim FC Chelsea keinen neuen Vertrag gegeben hatte, machte die Sache noch pikanter. 

„Ich kann es immer noch nicht glauben, was für ein Tag, einfach heldenhaft“, erzählte mir Adam Ratcliffe nach dem Spiel. 

Carsten Germann am Millerntor

Der Autor: Carsten Germann berichtet seit 2002 aus erster Hand über den englischen Fußball, u. a. für DIE WELT, BILD am SONNTAG und seit April 2021 auch als leitender Redakteur beim Portal Fussballdaten.de. Zudem gab er mit den Büchern Football’s home (2007) und Absolute Dynamite! (2010) zwei Sammelbände mit seinen Fußball-Reiseerlebnissen aus Großbritannien heraus. Für DIE FUSSBALLREISE schreibt er regelmäßig über den Insel-Kick.

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