Der englische Meister wird aller Voraussicht nach FC Liverpool heißen, doch die Überraschungsmannschaft der Saison kommt in der Premier League nicht aus Anfield, sondern aus den East Midlands: Nottingham Forest. Der legendäre Club, der 1978 als Aufsteiger Meister wurde, schickt sich an, wie im letzten Jahr Aston Villa ein denkwürdiges Revival zu liefern – und erstmals in die Champions League einzuziehen.
Oh Mann! Sind das wirklich schon 29 Jahre? Ja, doch! Am 19. März 1996 war es.
Da verlor Nottingham Forest im UEFA-Cup-Viertelfinale mit 1:5 (Hinspiel: 1:2) gegen den FC Bayern München, der sich auch den Cup holte. Forest verlor? Nein, Forest wurde zertrümmert.
Von einem FC Bayern, der gerade hektische „FC Hollywood“-Zeiten mit beinahe täglichem Theater in Medien-München, durch machte.
Nottingham Forest stand für die goldenden Jahre des englischen Club-Fußballs
Die stolzen „Tricky Trees“ verblüfften mit ihren Stars Viv Anderson, Kenny Burns, Trevor Francis († 2023) oder Tony Woodcock von 1978 bis 1980 ganz Fußball-Europa. Die Schützlinge des einmal schrulligen, mal ungenießbaren Meistertrainers Brian Howard Clough († 2004 / Siehe auch Premier-League-Offside „Tages des Zorns“) wurden zwei Mal in Folge Europacupsieger der Landesmeister (1979 und 1980).
Sie gehörten der englischen Club-Armada an, die zwischen 1977 und 1982 keinen Club aus einem anderen Land an den Henkelpott ließ.
1977, 1978 und 1981 triumphierte der FC Liverpool, dazu kamen Nottingham Forest und Aston Villa (1982).
Nun war es vorbei mit den trickreichen Bäumen aus Nottingham. Das 1:5 gegen Bayern München im City Ground war das bis heute letzte Europacup-Spiel für Nottingham Forest. Die ultimative Demütigung war dann noch Ex-Tottenham-Spieler Jürgen Klinsmann nach dem Spiel im Forest-Trikot…
1998/99 musste Nottingham Forest die Premier League für 23 lange Jahre verlassen und kassierte am 6. Februar 1999 beim 1:8 gegen den neuen Primus Manchester United (4 Tore von Ole Gunnar Solksjaer) eine der höchsten Niederlagen in der Geschichte der englischen Eliteliga.
Zurück in die Gegenwart. Für die-fussballreise.de kommentierte ich am 29. Mai 2022 das Premier-League-Playoff-Spiel zwischen Nottingham Forest und Huddersfield Town (1:0). Die Jubelszenen in Wembley waren gigantisch, eine Legende des englischen Fußballs meldete sich nach einer Ewigkeit zurück und oben in der Loge saß der sichtlich emotional berührte Macher des Nottingham-Aufschwungs.

Fußballreisen Nottingham Forest: Callum Hudson-Odoi jubelt nach dem 1:0 gegen Manchester City im März 2025 und lässt die Fans im City Ground fon glorreichen Zeiten in den 1980er-Jahren träumen. Foto: Imago Images
Nottingham Forest Owner: „Der große Grieche“
Der griechische Schiffs-Tycoon Evangelos Marinakis hat in Olympiakos Piräus (Conference-League-Sieger 2024, erster Europacup-Sieger aus Griechenland) investiert, aber auch seit 2017 in Nottingham Forest.
Der große Grieche – analog zu Anthony Quinn († 2001) als „The Greek Tycoon“ Aristoteles Onassis im Spielfilm von 1978 – ist seitdem Eigentümer des englischen Traditionsclubs.
Seit der Premier-League-Rückkehr 2022 flossen 430 Millionen Euro in den Kader der „Tricky Trees“. Die bis heute höchste Transfersumme zahlte man 2024 für den englischen Mittelfeldspieler Elliot Anderson – 41,2 Millionen Euro gingen an Newcastle United. Die teuersten acht Transfers seiner Club-Historie tätigte Forest seit dem Comeback in der englischen Eliteklasse, auch den Deal mit Chris Wood.
Der inzwischen 33 Jahre alte Stürmer-Oldie aus Neuseeland kam 2023 zuerst auf Leihbasis, dann für 17 Millionen Euro ebenfalls aus Newcastle – und gilt als einer der Garanten für den Höhenflug.
Als „Geschenk, heruntergeschickt aus dem Fußballhimmel“ bezeichnet ihn der geschätzte Kollege Adam Clery in der aktuellen Ausgabe des britischen Fußballmagazins FourFourTwo, „der jeden peinigt, der sich mehr für Expected Goals statt für exzellente Vibes interessiert.“
18 Tore in 24 Premier-League-Spielen hat der Vereins-Wanderer Christopher Grant Wood (spielte u. a. für West Bromwich, Bristol City, FC Millwall, Leicester City, Ipswich Town und Leeds United) in dieser Saison bereits markiert.
Chris Wood ist der Überperformer der Premier League
Geht es rein mathematisch nach dem „Tore minus XGoals“-Wert, ist er der Über-Performer der Liga. Woods Wert liegt bei plus 31 pro 90 Minuten, damit ist er vor dem High Flyer von Newcastle United, Alexander Isak (plus 14) und vor Liverpools Torjäger Mohamed Salah (plus 12) sowie vor Manchester Citys Ein-Mann-Torfabrik Erling Braut Haaland (plus 0,03).
Nottingham Forest spielt, anders als in den Glanzzeiten zwischen 1977 und 1981, als man ganz England mit einem variablen, schnell vorgetragenen Kurzpass-Spiel verblüffte, gegen jeden Trend.
Oder anders: Ballbesitz wird überschätzt! Die Mannschaft des portugiesischen Trainers Nuno Espirito Santo kommt – ganz im Sinne der Namensgebung der „Tricky Trees“ – mit einem trickreichen 4-2-3-1-System und weniger als 40 Prozent Ballbesitz daher.
„Nicht hier, um zu spaßen“
Nottingham weist die niedrigste Ballbesitz-Quote der Premier League auf, ebenso die zweitniedrigste Distanz bei Torschüssen und in Sachen Schüssen aufs Tor liegt man auf Rang 13.
Doch das Team ist bei Konter-Angriffen eine Bedrohung für jeden Gegner – nachzuschlagen in Liverpool (1:0), gegen Aston Villa (2:1) und zuletzt Anfang März gegen Manchester City (1:0). „Wir sind nicht hier, um zu spaßen“, schrieb Forest-Stürmer Callum Hudson-Odoi nach diesem Erfolg gegen den englischen Meister.
Und das ist durchaus ernst gemeint. Nottingham Forest geht jetzt nicht unbedingt als die Spaßmaschine der Premier League durch.
Mit 49 Toren holte Nottingham 54 Punkte, kein anderes Team aus der Top 4 der PL-Tabelle war in Sachen Tore sparsamer.
War es 1977 Liverpools früherer Erfolgscoach Bill Shankly († 1981), der die „Tricky Trees“ als Gast mit einer unvergessenen Kabinenansprache („Spielt nicht nur erste Liga, geht raus und holt Euch den Titel!“) wohl entscheidend motivierte, so pushen sich heute die Spieler gegenseitig zum nächsten, ganz großen Erfolg.
Nottingham, aktuell auf Rang drei, kann zum ersten Mal in seiner Vereins-Historie in die Champions League einziehen – Rang 5 in der Premier League würde dafür aller Voraussicht nach reichen – und erstmals seit dem ominösen 1:5 gegen die Bayern wieder in Europa spielen.
Es wäre die beste Platzierung für den NFFC in der Premier League seit 1994/95, als man unter Trainer Frank Clark ebenfalls Dritter wurde.
Der deutsche Kader-Planer George Syrianos, seit 2021 für den Verein tätig, in SPORT BILD (Ausgabe 11 / 2025): „Es ist schwerer, sich über Monate an der Tabellenspitze der Premier League zu halten, als einfach nur hoch zu kommen.“
Richtig. Am River Trent hat man nicht vergessen, wo man herkommt. Ein anderes Auftreten würde sicher auch Ärger mit dem großen Griechen bringen…