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Autor: Carsten Germann
Veröffentlicht: 23.02.2024

Veröffentlicht in Premier League Offside

Oliver Glasner bei Crystal Palace: Ein Spiel gegen die Zeit?

Fußballreisen Crystal Palace führen zu einem liebenswerten Club aus dem Süden Londons, dessen unverwechselbaren Charme ich schon 1990, als kleiner Oberstufen-Schüler auf großer Fahrt, kennenlernen durfte. Tickets Crystal Palace im Selhurst Park sind stark angefragt – und werden es wohl bleiben. Denn: Seit dem 19. Februar 2024 haben „The Eagles“ mit dem Österreicher Oliver Glasner einen Erfolgstrainer aus der Bundesliga unter Vertrag genommen. Doch dem Europa-League-Siegertrainer von 2022 bleiben nur 13 Spiele Zeit…

Monday Night Games in der Premier League stehen bei uns (fast) immer auf dem Redaktionsplan. So war es auch am 19. Februar 2024, mit Crystal Palace gegen den FC Everton (1:1).

Auch, weil die Londoner kurz vor dem Spiel ihren neuen Trainer vorstellten: Oliver Glasner. Der ehemalige Bundesliga-Coach von Eintracht Frankfurt und vom VfL Wolfsburg übernimmt die schwindeligen „Eagles“ von Trainer-Legende Roy Hodgson.

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Oliver Glasner saß schon vor seiner Inthronisation als Trainer von Crystal Palace neben Club-Boss Steve Parish (l.) auf der Tribüne im Selhurst Park. Foto: Imago Images

Der 76-jährige Trainer-Veteran, der bereits seit 1976 im Manager-Geschäft ist, gab aus gesundheitlichen Gründen auf. Vor Hodgsons Leistung kann man nur den Hut ziehen. Er wurde in zwei Ländern Meister (mit dem FC Kopenhagen in Dänemark sowie mit Halmstads BK und Malmö FF in Schweden) und er führte den Londoner Underdog FC Fulham 2010 ins Europa-League-Finale von Hamburg.

Als Coach der englischen Nationalmannschaft hatte Hodgson weniger Glück: „Aus“ im Achtelfinale bei der EURO 2016 gegen Island (1:2), Huh!

Der lange in der Schweiz (u. a. Nationaltrainer / WM-Teilnahme 1994 in den USA) tätige Engländer, der auch gut Deutsch spricht, war bereits der achte Coach bei Crystal Palace in den letzten elf Jahren.
Nun kommt Oliver Glasner, der erst zweite österreichische Trainer nach „Alpen-Klopp“ Ralph Hasenhüttl (FC Southampton) in der Premier League, nach London.

Beim Spiel gegen die „Toffees“ sah man Glasner auf der Tribüne schon neben Club-Besitzer Steve Parish, der 2010 bei den Londonern einstieg.

Londoner Minimalismus

Crystal Palace hat noch 13 Partien, um seine Position im Tabellenkeller der englischen Eliteliga signifikant zu verbessern.

Seit dem Wiederaufstieg 2013 sind die „Adler“ eine Art graue Maus im harten Premier-League-Alltag. Sie schlossen seitdem nie höher als Rang 10 ab.

Und in dieser Saison? 25 Punkte aus 25 Spielen sind gelebter Londoner Minimalismus, den letzten Sieg, den einzigen im neuen Kalenderjahr, gab es am 30. Januar 2024, 3:2 gegen Schlusslicht Sheffield United.

Parish versilbert Oliver Glasner die Mission „Rettet die Eagles“ unabhängig von ihrem Ausgang mit einem, wie die Wiener Kronen-Zeitung am 21. Februar 2024 wusste, kolportierten Jahres-Gehalt von umgerechnet 5,8 Millionen Euro.

„Wo Oliver ist, stellt sich der Erfolg schnell ein“, pries der Palace-Macher Parish Glasner, „wir glauben, dass sein Ehrgeiz, sowie seine offensive Herangehensweise perfekt passen, um den Rest der Saison und darüber hinaus aus unserem taltentieren, jungen Kader herauszuholen.“

Kurzfristige Erfolge braucht Glasner, dessen Vertrag in London bis zum 30. Juni 2026 datiert ist, in jedem Fall.

Glasner und die Nachspielzeit-Schläfer

Crystal Palace gewann nur zwei der letzten 14 Premier-League-Spiele.

Die größte Schwäche seiner neuen Mannschaft ist die Nachspielzeit: In den Schlussminuten kassierte Crystal Palace – Stand: 23. Februar 2024 – schon neun Treffer.

Um das Team, das mit Michael Olise und Eberechi Eze auf zwei Leistungsträger verzichten muss, optimal auf das Schlüsselspiel gegen den Tabellenvorletzten FC Burnley (24. Februar 2024) vorzubereiten, blieben Oliver Glasner nur 100 Stunden.

Was machst du als Trainer in so einem Fall? Sicher würde der Ex-Frankfurt-Coach nicht direkt auf sein bevorzugtes 3-4-2-1-System umstellen. Dazu fehlte ihm die Zeit und dazu fehlten ihm zu viele Schlüsselspieler.

Innenverteidiger Marc Guehl oder Mittelfeldspieler Cheick Doucouré sind derzeit verletzt zum Zuschauen verdammt.

Glasner gilt aber als Motivationsmeister – das konnte man in Frankfurts unvergessener Europa-League-Saison 2021/2022 sehen und auch in den verschiedenen, sehr sehenswerten Dokumentationen zu diesem außergewöhnlichen Europacup-Triumph und auch zur SGE-Premiere in der Champions League (DAZN) nachschauen. Das reißt einen mit. Das kann auch ein Impuls für Crystal Palace sein.

Dass Glasner bei den „Eagles“ gelandet ist, ist sicher kein Zufall. Laut Krone soll er bereits seit Oktober 2023 mit dem Londoner Club in Kontakt gestanden haben. Crystal Palace-Miteigentümer John Textor, dem ehemaligen Geschäftsführer von FuboTV, wurde auf den Österreicher aufmerksam, als dieser auch mit Olympique Lyon sprach.

Gute Wahl. Oliver Glasner, aber auch den rührigen Ralph Hasenhüttl habe ich als Reporter schon mehrfach gesprochen, zuletzt im Sommer 2022 im Stadion von Pasching, wo Österreichs Fußball-Idol Johann ,,Hans" Krankl (71) im gleichen Jahr einmal vorübergehend verhaftet wurde...

Glasner mit seiner empathischen, unaufgeregten und freundlichen Art wird sicher auch im rauen Geschäft Premier League gut ankommen.

Österreicher in England: „Arnie“ und der „Schlangen-Fuchser“ setzten Meilensteine

Österreich und die Premier League – das passt. Paul Scharner (Wigan Athletic und West Bromwich Albion) ist mit 221 absolvierten Spielen der Rekord-Spieler aus der Alpenrepublik in der Premier League. Gefolgt von Superstar Marko „Arnie“ Arnautovic. Der Rekord-Nationalspieler des ÖFB, den wir im Sommer wohl auch bei der EURO 2024 in Deutschland sehen werden, spielte 184-mal in England – für Stoke City und West Ham United.

Arnautovic ist mit 43 Treffern auch der erfolgreichste Torjäger unter den Österreichern auf der Insel.
Die beste Premier-League-Geschichte schrieb aber der Ex-Schalker Christian „Schlangen-Fuchser“ Fuchs, der 2016 mit Leicester City sensationell englischer Meister wurde.

ine Zahl, an der sich Oliver Glasner in England orientieren muss, sind 173 Spiele, die Ralph Hasenhüttl, von Jürgen Klopp im Dezember 2018 mit „Hase means the rabbit and Huettl means nothing“ angekündigt, beim FC Southampton vorlegte. Das stimmte zwar so nicht ganz, aber Klopp ist eben Klopp - und Hasenhüttl machte es gut. 

Der Autor

Carsten Germann berichtet seit 2002 aus erster Hand über den englischen Fußball, u. a. von 2002 bis 2006 für DIE WELT, 2003 bis 2007 für BILD am SONNTAG und seit 2005 für SPORT BILD sowie seit 1. April 2021 als leitender Redakteur bei Fussballdaten.de. Zudem gab er mit den Büchern Football’s home (2007) und Absolute Dynamite! (2010) zwei Sammelbände mit seinen Fußball-Reiseerlebnissen aus Großbritannien heraus. Für DIE FUSSBALLREISE schreibt er wöchentlich über den Insel-Kick


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