Premier League Offside – Folge 20:

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Autor: Carsten Germann
Veröffentlicht: 28.09.2021

Veröffentlicht in Premier League Offside

Er ist wieder da – Cristiano Ronaldo macht die Fußballreise nach Manchester groß

Cristiano Ronaldo (36) spielt zum zweiten Mal in seiner einzigartigen Karriere für Manchester United – und eben nicht für Manchester City und Pep Guardiola. Der prominente Rückkehrer hat den schlingernden Rekordmeister aus einer Tiefschlafphase geholt und macht eine Fußballreise nach Manchester wieder groß.

Fish & Chips gibt es in Manchester unter anderem in der Chester Road in Stretford. In Lokalen, die die glorreiche Vergangenheit von Manchester United teilweise schon im Namen tragen. Da ist das Lou Macari, benannt nach dem 1972 zu Man. United gewechselten Schotten. Das „Red Star 1958“ erinnert an die hoffnungsvolle Elf der „Busby Babes“, die beim Flugzeugunglück von München auf tragische Weise auseinander gerissen wurde. Der „United Chips Shop“ bietet Burgers & Kebabs, ein Wandgemälde zeigt die Helden von 1968. Sir Matt Busby, Sir Bobby Charlton, Denis Law und einen gewissen George Best († 2005 / „Alle sagen, ich hätte mit fünf Miss-World-Kandidatinnen geschlafen. Das stimmt nicht, es waren nur drei, zwei Mal bin ich nicht hingegangen.“)

Marketing-Faktor, Fan-Magnet, Naturereignis: Ronaldo ist wieder zu Hause

Seit 9. September 2021 ziert ein Heimkehrer die Außenfassade des Stadions in Old Trafford. Inmitten seiner Teamkollegen steht Cristiano Ronaldo (36) überdimensional an der Glas-Außenwand des „Theatre of Dreams“ – „Here we belong“, lautet die treffende Überschrift. Hier gehören wir hin. Auch CR7 gehört zum Old Trafford. Und das nach einer Abstinenz von 12 Jahren und 118 Tagen. Die Fans haben am 9. September 2021, dem Tag seiner Rückkehr, seit sechs Uhr morgens auf dem Trainingsgelände in Carrington auf ihn gewartet. Und wohl auch die Merchandising-Experten haben einen solchen Messias im roten Teil von Manchester herbei gesehnt. Stunden nach der bekannt gegebenen Ronaldo-Verpflichtung und der Übergabe der Rückennummer sieben durch den Uruguayer Edinson Cavani lag der eingespielte Betrag für die CR7-Trikots bei 220 Mio. Euro. Fast 2,5 Mio. Jerseys gingen weg – zum Preis von 90 Euro. Die Ticketpreise für ein wenige Tage zuvor noch absolut gewöhnliches Premier-League-Spiel gegen Newcastle United schossen durch die Decke. Bis zu 3.000 Euro sollen für ein Ticket gehandelt worden sein. 77 Prozent der Teilnehmer einer Guardian-Blitzumfrage waren der Meinung: „Ronaldo will be a hit at Manchester United.“

Signiertes Trikot von Cristiano Ronaldo -  Foto: Shutterstock

Signiertes Trikot von Cristiano Ronaldo - Foto: Shutterstock

Ronaldo zurück bei Manchester United – Ein Impact für die Premier League, ein Paukenschlag für die „Red Devils“! Zwei Tore zum Einstand am 11. September 2021 gegen Newcastle United (4:1). „Die Rückkehr von Ronaldo beseelt das Old Trafford“, schrieb die sonst so zurückhaltende Süddeutsche Zeitung. Wer die emotionalen Jubelbilder vor der für Fans mit Handicap reservierten Tribüne und die Tränen von Ronaldos Mutter Dolores (66) weiter oben im Ehrenbereich gesehen hat, spürt, dass dies mehr ist als nur das Comeback eines weit gereisten, in die Jahre gekommenen Profifußballers. England-Legende Keir Radnedge sah Manchester United im Kicker-Sportmagazin auf „Wolke CR7“. „Irgendwie war das zu erwarten“, schrieb Radnedge nach dem fabulösen Ronaldo-Comeback, „so etwas wie eine selbsterfüllende Prophezeiung im positiven Sinn, aber es war dennoch auch etwas Besonderes. 75.000 Fans lagen ihm wohl auch nicht das letzte Mal zu Füßen.“ Mich hat dabei vor allem erstaunt, dass Ronaldo nach drei Jahren bei Juventus Turin – ebenso wie sein Pendant Lionel Messi – eben nicht dem Ruf von Manchester City und Pep Guardiola gefolgt ist. Sondern, man verzeihe mir das Pathos, dem Ruf des Herzens.

Deswegen gehe ich mit Überschriften wie „Comeback-Kitsch mit Cristiano“ (Kurier Wien, 12. September 2021) nicht mit. Was mich an der Nummer stört, ist die Sonnenkönig-Attitüde, mit der sich die United-Besitzerfamilie Glazer für diesen Coup feiern ließ. Dass die Glazers dank Ronaldo Dagobert-Duck-Dollarzeichen in den Augen haben, liegt sicher nicht an ihrer Überzeugungskraft. Das aber nur nebenbei.

Nein, anders. Mit Cristiano Ronaldo hat Manchester United die Suche nach der verlorenen Zeit beendet. Wayne Rooney, David Beckham oder Ryan Giggs sind schon lange nicht mehr da. Wenn es United in den letzten Jahren an irgendetwas gefehlt hat, dann waren es Identifikationsfiguren. Der nimmermüde Abwehrchef Harry Maguire (Immer Ärger mit Harry) kann einer dieser Typen werden, die irgendwann auf Wandgemälden auftauchen. Aber bis hierhin hat außer Rooney kein Stürmer hat Manchester United in der Premier-League-Ära so sehr geprägt wie der Mann aus Madeira. Nicht Ruud van Nistelrooy, nicht Teddy Sheringham, nicht Cavani. Auch die übrigen Neuen, Jadon Sancho von Borussia Dortmund und Raphael Varane von Real Madrid, haben nicht diese Strahlkraft.

Sicher, die Rekord-Anzahl von 253 Pflichtspieltoren von „Wild Wayne“ Rooney wird der ewig fitte Ronaldo vermutlich nicht erreichen. Aber in der Premier League kann er – bei Vertragsende 2023 – wahrscheinlich Rang zwei (Ryan Giggs, 109 Tore) erklimmen. Die ehemaligen United-Stürmer Ole Gunnar Solskjaer (92 Treffer), Andy Cole (93) und „Van, the Man“ van Nistelrooy (95) dürfte Ronaldo (87 Tore) in dieser Saison schon hinter sich lassen.

CR7 und Old Trafford sind ein Fußball-Gemälde!

Eine Fußballreise nach Manchester wird durch die Tor-Maschine Ronaldo noch mehr aufgewertet. Weil im „Theater der Träume“ wieder von höchsten Weihen geträumt werden darf! Die Wucht, die Emotion, der Glamour-Faktor – Alles, was Cristiano Ronaldo dem Spiel der „Red Devils“ beimischt, sind ein Fußball-Ereignis!

Cristiano Ronaldo mit Manchester United im Champions-League-Finale gegen den FC

Cristiano Ronaldo mit Manchester United im Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona (0:2) am 29. Mai 2009 in Rom. Foto: Shutterstock

Davon konnte ich mich selbst am 1. Oktober 2003 überzeugen, als ich zum ersten Mal ein Spiel mit Ronaldo live schreiben durfte. Es war das legendäre 1:2 beim VfB Stuttgart in der Champions League. Manchester United und der junge Ronaldo elektrisierten eine ganze Region. Wenige Monate zuvor hatte Sir Alexander Chapman Ferguson einen seiner genialsten Transfers perfekt gemacht. Er verpflichtete Ronaldo der Legende nach im Kabinentrakt des Estadio José Alvalade XXI. in Lissabon. Der ausgekochte „Fergie“ kam damit seinem Erzrivalen Arsene Wenger vom FC Arsenal zuvor. Kurz darauf saß der damals 18-jährige Portugiese in einem Privatjet nach Manchester

Mit Ronaldo kam Manchester United wieder auf Europas Thron

Was folgte? Natürlich dieses hier! Mit Ronaldo holte United drei Mal in Folge die englische Meisterschaft (2007 bis 2009), 2004 den FA Cup und – die Krönung – 2008 in Moskau gegen den FC Chelsea die Champions League. Cristiano wurde 2007/2008 mit 31 Treffern Torschützenkönig der Premier League.

CR7: Einer, der alle mitreißt

„Das Besondere ist, dass er alle mitzieht“, sagt United-Trainer Ole Gunnar Solskjaer (47). Der Norweger brachte den Wert von CR7 für den leck geschlagenen englischen Rekordmeister auf den Punkt. „Es fühlt sich an wie in alten Zeiten, er ist ein besonderer Mann und ein besonderer Spieler für uns“. Fast eine Art Co-Trainer. Wir erinnern uns! Diese Rolle hatte Ronaldo schon im EM-Finale 2016, als er verletzt ausgewechselt worden war, für Portugal mit Erfolg übernommen…
„Er hat sich auf das Spiel gefreut und für die Jungs eine kleine Ansprache gehalten“, verriet Solskjaer nach dem Comeback. Auch das ist Cristiano Ronaldo.

Zeit für eine Ansprache in der Manchester United Umkleidekabine

Zeit für eine Ansprache in der Manchester United Umkleidekabine - Foto: Shutterstock

 

Carsten Germann
Der Autor:
 Carsten Germann berichtet seit 2002 aus erster Hand über den englischen Fußball, u. a. für DIE WELT, BILD am SONNTAG und seit 2018 als leitender Redakteur bei Ligalive.net. Zudem gab er mit den Büchern Football’s home (2007) und Absolute Dynamite! (2010) zwei Sammelbände mit seinen Fußball-Reiseerlebnissen aus Großbritannien heraus. Für DIE FUSSBALLREISE schreibt er regelmäßig über den Insel-Kick.