Premier League Offside – Folge 14:

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Autor: Carsten Germann
Veröffentlicht: 16.03.2021

Veröffentlicht in Premier League Offside

Premier hilft Premier League: Die Rückkehr der Fans

Die Premier League wird aus dem Abseits kommen. Und zwar noch vor Saisonende. Am letzten Spieltag dieser Saison kann und wird Englands Fußball-Eliteliga wieder vor Zuschauern spielen. Das freut mich – und zwar nicht nur, weil ich ein Freund des englischen Fußballs bin.

Nein. Es geht um Strategien und Perspektiven. Die von vielen deutschen Medien kalt verachtete, als arrogant und rein profitorientiert hingestellte Premier League und der von den hiesigen Medien noch mehr verteufelte britische Premierminister Boris Johnson haben verdammt viel richtig gemacht. Der Fußball kann nicht ewig im Lockdown verharren.

Grundlage dafür ist der klare und für jeden Fan verständliche Lockerungsplan der britischen Regierung. Die Premier League spielt wieder mit Zuschauern. Zwar noch in einer Light-Version, aber immerhin. In Deutschland, so fürchten renommierte Beobachter der Fußball-Szene wie Reporter-Legende Marcel Reif, wird es in diesem Jahr wohl keine Zuschauer mehr in den Stadien geben. Und man muss schon ein großer Zweckoptimist sein, um dem zu widersprechen. Das ist bitter.

„Drehkreuze werden wieder in Bewegung kommen“

Während die für ihr Hygiene-Konzept im letzten Frühjahr in ganz Europa überschwänglich gefeierte Bundesliga zum zweiten Mal in Folge ihren Meister somit also erneut vor leeren Rängen küren wird, dürften Pep Guardiola und Manchester City am 23. Mai 2021 vor Publikum ihre nächste englische Meisterschaft bejubeln. Die „Citizens“ werden den FC Liverpool – bei aktuell neun Punkten Vorsprung vor dem Stadtrivalen Manchester United – aller Voraussicht nach als Meister wieder ablösen.

„Die Drehkreuze unserer Stadien werden wieder in Bewegung kommen, je nach Stadiongröße und Platzkapazität“. So hat es Premierminister Boris Johnson bereits Ende Februar angekündigt. Das soll „frühestens ab dem 17. Mai“ passieren.

Nach dem Stand der Dinge haben derzeit die 10 Vereine, die am 38. Spieltag in der Premier League Heimrecht haben, das Privileg, wieder mit Zuschauern zu spielen. Das wären u. a. Tabellenführer Manchester City gegen den FC Everton im Etihad Stadium. Auch der derzeit auf Platz drei rangierende Ex-Meister Leicester City genießt am letzten Spieltag dieser merkwürdigen Saison gegen Tottenham Hotspur Heimrecht. Der entthronte Meister FC Liverpool hätte gegen Crystal Palace die Chance, sich anständig von seinen Fans zu verabschieden. Ob es die fehlende Kulisse in Anfield war, die die Rekord-Negativserie der „Reds“ zu Hause mit (Stand: 8. März 2021) sechs Heimpleiten in Serie verursachte, darüber darf trefflich spekuliert werden. Im Tabellenkeller hätte mit dem FC Fulham (gegen Newcastle United) ein Team die Chance, mit der Unterstützung der eigenen Zuschauer über den berühmten Strich zu springen und drin zu bleiben.

Gibt es sogar drei Spieltage mit Fans?

Wie das Portal The Athletic berichtet, könnte sogar noch mehr möglich sein. Die Premier League will dafür einen Kalender-Trick anwenden. Und die Spieltage 36 und 37 verlegen. Der drittletzte Spieltag soll vom 11./12. Mai auf das folgende Wochenende, der 37. und vorletzte Spieltag auf Dienstag und Mittwoch, 18. / 19. Mai. Dann hätten alle 20 Klubs auf sicher die Möglichkeit, wieder vor ihrem Publikum zu spielen. Und zwar vor bis zu 10.000 Menschen, nicht mehr nur vor Pappkameraden. Oder vor liebevoll ausgebreiteten Fan-Bannern in den leeren Arenen, wo man selbst den Rüffel von Chelsea-Trainer Thomas Tuchel für seinen deutschen Stürmer Timo Werner Anfang März Wort für Wort mithören und mitschreiben konnte…

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Fotorechte: Lizenzfreie Stockfoto-Nummer: 1479667865 / Shanae Ennis-Melhado

Die (vorläufige) Rückkehr im Dezember kam zu früh

Bis zu 10.000 Zuschauer bzw. 25 Prozent der jeweiligen Kapazität in den Stadien, werden also dabei sein, wenn die Premier League aus dem Abseits kommt. Im Dezember 2020 schien schon vieles auf die Rückkehr der Fans hinzudeuten. Kleine Zuschauermengen waren zugelassen. Doch die erneute Ausbreitung des Corona-Virus um die Jahreswende ließ dieses zarte Pflänzchen Hoffnung schnell sterben. Ganz ehrlich: Als der FC Fulham und der FC Liverpool (1:1) am 13. Dezember 2020 gegenüberstanden und 2.000 zugelassene Heimfans jeden Einwurf bejubelten, da hatte das einen Hauch von Normalität. Aber, ganz ehrlich, ich habe dem Ganzen noch nicht getraut. Zu Jahresbeginn hat sich die Corona-Situation in Großbritannien dramatisch verschlechtert. Jetzt impft Großbritannien auf Premier-League-Niveau und ist dabei, einen Ausweg aus der Pandemie zu finden.

Das Risiko bleibt. Aber die Hoffnung auf Normalität wächst

Natürlich ist auch jetzt ein Risiko dabei. Natürlich gibt es auch jetzt kritische Stimmen. Laut einer Online-Umfrage des britischen Massenblatts The Sun sprechen sich 55,1 Prozent der Befragten dafür aus, erst zur neuen Saison die Stadion-Tore wieder für die Fans zu öffnen. Aber: Der Entschluss der Liga und der Politik lässt hoffen. Auch für andere Länder und auch für die EURO 2021 im Sommer. 14 Spiele werden in London und in Glasgow ausgetragen. Geht es nach Johnsons Lockerungsplan, könnte der 90.000 Zuschauer fassende Londoner Fußballtempel von Wembley sogar komplett ausgelastet werden. Die britische Regierung hat der UEFA sogar signalisiert, noch mehr Spiele zu übernehmen, falls diese aufgrund der Corona-Situation in den anderen Austragungsländern nicht möglich wären.

„It’s coming home“, das englische Fußball-Motto aus dem Sommer 2018, als bei der Weltmeisterschaft in Russland für die „Three Lions“ plötzlich alles möglich schien, gilt jetzt auch für die Rückkehr der Fans zu ihrem „beautiful game.“ Ich würde mich freuen, wenn wir ab Sommer mit einer Fußballreise mit Ihnen, werte Leser, ins Mutterland des Fußballs starten dürften. Sie nicht auch?

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Foto: Wird das Etihad Stadium zum Saisonfinale von den Fans von Manchester City wieder mit Leben erfüllt?
Fotorechte: Lizenzfreie Stockfoto-Nummer: 469586432 / Alastair Wallace

Der Autor: Carsten Germann berichtet seit 2002 aus erster Hand über den englischen Fußball, u. a. für DIE WELT, BILD am SONNTAG und seit 2018 als leitender Redakteur bei Ligalive.net. Zudem gab er mit den Büchern Football’s home (2007) und Absolute Dynamite! (2010) zwei Sammelbände mit seinen Fußball-Reiseerlebnissen aus Großbritannien heraus. Für DIE FUSSBALLREISE schreibt er regelmäßig über den Insel-Kick.

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