Fußballreisen FA Cup sind immer etwas Besonderes. Packende Premier-League-Duelle wie zuletzt FC Arsenal gegen den FC Liverpool (0:2), aber auch wackere, unvergessliche Außenseiter. Maidstone United aus der 6. Liga ist das jüngste Mitglied im Club der Underdogs im englischen Pokal.

Sie werden es nicht glauben. An Silvester habe ich mir The Rolling Stones in der beliebten Serie „Pop around the Clock“ bei 3sat reingezogen – ein Konzert aus Newark vom 15. Dezember 2012. Es macht immer wieder Spaß, Sir Mick Jagger (80) in Action zu sehen.

Ein Pechvogel namens Mick Jagger?

Sir Mick ist ausgewiesener Fußballfan. Doch wirklich Glück bringt er seinen Teams (meist) nicht. So wie im Oktober 2023 bei „El Clasico“ in Barcelona, als die Ur-Rocker ihre neueste Platte bei „Barca“-Hauptsponsor Spotify präsentierten. Endstand gegen Real Madrid: 1:2.

Auch bei der WM 2018 war er im Halbfinale von Moskau gegen Kroatien (1:2 n. V.) für die „Three Lions“ aus England nicht wirklich der Glücksbär.

In Brasilien, wo er beim legendären Halbfinale am 8. Juli 2014 mit der „Selecao“ gegen Deutschland bei den Fans des Gastgebers saß, braucht sich Michael Jagger (Dt.: Michael Jäger) wohl ebenfalls nicht mehr sehen zu lassen, 1:7. Ein Spiel für die Geschichte.

„Pe Frio“ (Dt. Kalter Fuß) nennen sie ihn in Brasilien.

Eigentlich schade. Denn einen Promi-Fan wie ihn könnten „The Stones“ für ihr nächstes Pokal-Abenteuer sicherlich gebrauchen. Spielglück bei der WM und beim „Clasico“ hin oder her.

Maidstone United – „The Stones“ rocken gerade den FA Cup.

Die Mannschaft aus der englischen Grafschaft Kent, der Heimat von Sir Michael Philip Jagger übrigens, steht nach einem 1:0 gegen den drei Klassen höher rangierenden League One-Club FC Stevenage in der 4. Runde des FA Cup.

Das war den Stones zuvor noch nie gelungen. 1986/87 und 1983/84 scheiterten sie jeweils in Runde drei am FC Watford und Darlington.

Siegtor-Schütze Sam Corne bejubelt die FA Cup-Sensation mit Maidstone United im Januar 2024. Foto: Imago Images

Sam Cornes‘ Elfmeter-Tor in der Nachspielzeit der ersten Hälfte bahnte den größten Coup der „Stones“ an. Dabei hätte der Tabellensiebte der 3. Englischen Liga (Football League One) eigentlich wissen müssen, wie FA-Cup-Sensation geht.
Stevenage hatte im letzten Jahr Aston Villa aus dem Wettbewerb geworfen – 2:1 an der Trinity Road durch ein Tor von Dean Campbell (90.), „Good ebening“, Unai Emery!

„Wir haben ihnen nicht genügend Respekt beigebracht“, sagte Stevenage-Coach Steve Evans nach dem Spiel, das in einem Platzsturm der Stones-Fans endete.

Maidstone United – Neustart in der 14. Liga

Maidstone United spielt in der 6. englischen Liga (National League South) und war nach drei Jahren in der Football League 1992 bankrott.

In der 14. Liga musste man unter dem Namen Maidstone Invicta von vorne anfangen. 1997 erhielt Maidstone den alten Vereinsnamen zurück.

Die Bühne der Stones ist seit 2012 das nur 4.200 Zuschauer fassenden Ground Gallagher-Stadium. Musikalische Grüße an die gleichnamigen Radaubrüder aus Manchester.

Auf dem Weg durch diese FA Cup-Saison haben die Stones bereits 4 Runden hinter sich gebracht.

„Jeder, der den Fußball in diesem Land liebt…“

Zweite Qualifikationsrunde bei Steyning Town (4:1), dann 2:0 bei Winchester City und 2:0 in Torquay, das ist ein Streifzug durch die liebenswerten Niederungen des englischen Fußballs. Dabei war der Erfolg in Torquay im Dezember 2023 schon unglaublich. Zwischen beiden Clubs lagen 47 Liga-Ränge.

„Das ist das, wovon wir träumen“, jubelte Club-Co-Eigentümer Oliver Ash bei BBC Radio Kent, einem Sender, der sich auch schon Platten von Mick Jagger abgespielt hat, „die Liga ist unser Brot-und-Butter-Geschäft, aber das ist etwas Besonderes. Der FA Cup berührt die Vorstellungskraft von jedem, der den Fußball in diesem Land liebt.“

Der nächste Gegner ist ohne Zweifel ein legendärer Club im englischen Fußball. Am 27. Januar 2024 muss Maidstone – so will es das Los – wieder auf Tour. Und zwar zu Ipswich Town, wo u. a. das Motto „The Beat goes on“ gilt.
In Ipswich ist der 2018 verstorbene Kevin „The Beat“ Beattie († 64) eine bis heute verehrte Club-Legende. Der Abwehrspieler gehörte zur Erfolgself von Ipswich Town, die 1981 den UEFA-Pokal gewann.

Der prominenteste Spieler, den Maidstone United hervorbrachte, ist der Engländer Chris Smalling. Der 31-fache Nationalspieler der „Three Lions“ wurde mit Manchester United 2-mal Premier-League-Meister.

„Big George“ sorgt für den größten Erfolg

Auf der Bank der Stones sitzt einer, den ich 2011 einmal interviewt habe: „Big George“ Elokobi. Der bullige Kameruner spielte damals für die Wolverhampton Wanderers, die am Saisonende 2010/2011 mit die knappste Rettung aller Zeiten in der Premier League schafften.

Diesen Kampfgeist scheint der in London aufgewachsene Kameruner seinen Jungs in Maidstone nun weiterzugeben.
„Ich habe meinen Kindern auf dem Weg zum Stadion gesagt, dass Papa heute etwas Großartiges leisten wird“, verriet Elokobi nach dem Sieg gegen Stevenage. Es wurde der bis dato größte Erfolg der Vereinsgeschichte.

Soll man den Stones in Ipswich auf der Tribüne an der Portman Road Unterstützung von Sir Mick Jagger wünschen? Ja, warum eigentlich nicht? Es ist schließlich FA Cup.

Der Autor

Carsten Germann berichtet seit 2002 aus erster Hand über den englischen Fußball, u. a. für DIE WELT, BILD am SONNTAG und SPORT BILD sowie seit 1. April 2021 als leitender Redakteur bei Fussballdaten.de. Zudem gab er mit den Büchern Football’s home (2007) und Absolute Dynamite! (2010) zwei Sammelbände mit seinen Fußball-Reiseerlebnissen aus Großbritannien heraus. Für DIE FUSSBALLREISE schreibt er wöchentlich über den Insel-Kick.