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Autor: Carsten Germann
Veröffentlicht: 08.02.2024

Veröffentlicht in Premier League Offside

Nein, es ist noch nicht ,,Midnight in Chelsea"

Fußballreisen FC Chelsea könnten 2024 noch zu einem zweifachen Cupgewinner führen. Das mutet angesichts der Turbulenzen, die beim FC Chelsea seit dem mit dem russischen Überfall auf die Ukraine einhergehenden Eigentümerwechsel, weg von Roman Abramowitsch, hin zu Todd Boehly, Einzug gehalten haben, irrwitzig an. Auch Trainer Mauricio „The Posch“ Pochettino steht schon wieder zur Disposition. Doch die Mannschaft scheint begriffen zu haben, worum es im Londoner Südwesten geht. 

Chelsea unter Roman Abramowitsch – Das war eine einmalige Erfolgs-Ära, wie sie der Club aus London SW6 1 HS wahrscheinlich so schnell nicht mehr erleben wird.  20 nationale und internationale Titel mit den Champions-League-Erfolgen 2012 im „Finale dahoam“ in München gegen den FC Bayern und gegen Manchester City im englischen Duell 2021 in Porto (die-fussbballreise.de berichtete) als Krönung gab es unter der Eigentümerschaft des stillen russischen Oligarchen Roman Abramowitsch.

Seit der US-Amerikaner Todd Boehly übernommen hat, gab es keinen einzigen Titel mehr. Um an die alten Erfolge anzuknüpfen, wurde aber in Milliardenhöhe investiert und mit Mauricio „The Posch“ Pochettino ein Trainer geholt, von dem man sich exakt diese Siegermentalität erhofft.

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Fußballreisen FC Chelsea: Traumtore wie hier im FA Cup-Spiel bei Aston Villa durch Weltmeister Enzo Fernandez gibt es bei Chelsea derzeit zu selten. Foto: Imago Images / PA

Bei Chelsea geht der Posch nicht ab

Tja, leider geht bei Chelsea der Posch gar nicht oder viel zu selten ab. Ohne zu unken: Pochettino hat als Coach noch nie etwas gewonnen.  Dabei hat der Argentinier, der 2019 Tottenham Hotspur bis ins Champions-League-Finale führte, verstanden, was im vornehmen Chelsea zählt. „Ich will einen Titel gewinnen“, sagte er vor dem Ligapokal-Halbfinale gegen den Zweitligisten FC Middlesbrough, „bei Chelsea geht es nur ums Gewinnen.“

Ja! Aber Chelsea gewann unter dem Argentinier und vor allem nach der gigantischen Winter-Transfer-Offensive 2022/2023 mit mehr als 300 Millionen Euro Ausgaben, u. a. für Weltmeister Enzo Fernandez von Benfica Lissabon, zu selten. 

Allein in dieser Saison sind 9 Siege aus 23 Spielen für ein Star-Ensemble, dessen Kader-Wert sich laut GOOL.ai / Fussballdaten.de jenseits der 700 Millionen-Marke bewegt, eigentlich ein Londoner Treppenwitz.  Pochettino konnte im Sommer 2023 für mehr als 460 Millionen Euro neue Spieler holen – 28 Profis kamen seit der Übernahme von Boehly und Clearlake 2022 an die Bridge. 

Dennoch muss Chelsea auf die Pokalwettbewerbe hoffen. In der Premier League ist Chelsea auf Rang 11 bereits sieben Zähler hinter den Europapokalrängen. Ein Armutszeugnis.

Dass es diese mit Starspielern gespickte Mannschaft noch kann, zeigte sie am 23. Januar 2024 im EFL-Cup-Halbfinale, beim 6:1 gegen „Boro“. Am 25. Februar ist der FC Liverpool in Wembley der Final-Gegner. Noch besser gefielen mir die „Blues“ beim Entscheidungsspiel in der 4. Runde des FA Cup am 7. Februar 2024 bei Aston Villa und Coach Unai Emery („Good ebening“). An der Trinity Road triumphierten die Londoner nach 0:0 im ersten Spiel mit 3:1.  Enzo Fernandez zeigte dabei, wozu er imstande ist. Der Argentinier, mit 121 Millionen Euro Ablöse teuerster Zugang der Premier League aller Zeiten, erzielte ein sehenswertes Freistoßtor zum vorentscheidenden 3:0. 

Urlaubsgrüße aus Zagreb

„Er hat sein Können im Chelsea-Dress jedoch bisher verhältnismäßig selten nachgewiesen“, ist England-Legende Keir Radnedge trotzdem nicht überzeugt. 

Im FA Cup-Achtelfinale kann und darf Championship-Club Leeds United keine unüberwindbare Hürde für Chelsea darstellen.

Diese Hürden hat sich der Renommierclub von der Stamford Bridge selbst aufgestellt. Die ehrgeizigen Eigentümer aus den USA sahen sich am 7. September 2022 genötigt, nach 0:1 in der Champions-League-Gruppenphase bei Dinamo Zagreb Trainer Thomas Tuchel zu feuern.

Diese Meldung habe ich bei Ankunft im Kroatien-Urlaub gelesen und war einigermaßen ratlos. Vielleicht wollten Todd Boehly und Co. zum 100. Tag ihrer Club-Übernahme etwas Besonderes machen, dachte man bei sich… „Von der Siegermentalität ist nicht mehr viel übrig“ Wie auch immer: Der deutsche Coach brachte Chelsea 2021 mit der Champions League den letzten, ganz großen Triumph.

Seitdem ist, wie auch der geschätzte Kollege Keir Radnedge (Kicker-Sportmagazin, 25. Januar 2024) glaubt, „von der Siegermentalität nach dem Abgang von Roman Abramowitsch und dem Rausschmiss Thomas Tuchels nicht mehr viel übrig.“ Das stimmt. Guten Ergebnissen wie dem 4:4 gegen Meister Manchester City folgen immer wieder heftige Tiefschläge wie ein 1:4 bei Newcastle United. Nach 3 Siegen in Folge zum Jahreswechsel gab es in der Premier League dann ein ernüchterndes 1:4 beim FC Liverpool, der gerade den Abschied seines Erfolgstrainers Jürgen Norbert Klopp bekanntgegeben hatte. 

Der Chelsea-Mannschaft fehlt es nicht an Klasse, aber dem Verein fehlt es an Struktur. In London geht schon das Gerücht um, dass „The Posch“ vor dem „Aus“ steht. Das löst trotz der schlechten Liga-Resultate Kopfschütteln bei den Experten aus. 

„Chelsea kann so nicht weitermachen“

„Du kannst nicht einfach so weitermachen und den Trainer feuern“, sagte der frühere irische Nationaltorhüter Shay Given bei BBC Radio 5 Live im Anschluss an das enttäuschende 2:4 gegen die Wolverhampton Wanderers. „Es ist zu einfach zu sagen: Chelsea braucht einen neuen Coach“, glaubt auch der ehemalige Premier-League-Profi Chris Sutton, „man braucht Geduld.“ 

Die Frage ist für mich: Haben die Chelsea-Macher die oder haben sie in dieser Krisen-Saison schon wieder den Finger am Abzug? 

Immerhin geht ein Spieler voran, der mich 2023 im Kroatien-Urlaub aufhorchen ließ. Und zwar mit seinem Last-Minute-Wechsel von Man. City nach London: Cole Palmer. Der 21-jährige englische Nationalspieler hat in 20 Premier-League-Auftritten für die „Blues“ 14 Tor-Beteiligungen (10 Treffer) geliefert.

Auch dank Palmer: Chelsea bleibt die spannendste Baustelle der Premier League. 

Der Autor

Carsten Germann berichtet seit 2002 aus erster Hand über den englischen Fußball, u. a. für DIE WELT, BILD am SONNTAG und SPORT BILD sowie seit 1. April 2021 als leitender Redakteur bei Fussballdaten.de. Zudem gab er mit den Büchern Football’s home (2007) und Absolute Dynamite! (2010) zwei Sammelbände mit seinen Fußball-Reiseerlebnissen aus Großbritannien heraus. Für DIE FUSSBALLREISE schreibt er wöchentlich über den Insel-Kick.


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