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Autor: Carsten Germann
Veröffentlicht: 10.11.2023

Veröffentlicht in Premier League Offside

Manchester United: A long way down!

Frei nach Nick Hornby – A long way down! Um dieses Manchester United muss man sich Sorgen machen… Der englische Rekordmeister steht nach 4 Spieltagen in der Champions-League-Gruppenphase auf dem letzten Tabellenplatz und liefert in allen Wettbewerben Zahlen wie in der Abstiegssaison 1973/74. Eine Bestandsaufnahme ohne Häme.

Jan Age Fjörtoft hat 84-mal in der Premier League gespielt – für Swindon Town, den FC Middlesbrough und den FC Barnsley.

Der Norweger, der die beste Liga der Welt kennt und zusammen mit dem ebenfalls Premier League erfahrenen Steffen Freund (Tottenham Hotspur, Leicester City) die Champions League für den österreichischen Sender Servus TV pointiert analysiert, sagte am Mittwochabend, als das 3:4-Drama für Manchester United beim FC Kopenhagen perfekt war, etwas ganz Wichtiges über die „Red Devils“.

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Ratlos in Kopenhagen: Manchester United und Harry Maguire nach dem 3:4-Krimi in der Champions League. Foto: Imago Images / Bildbryan

„Das geht auf ten Hag“

„Es ist so viel los bei Manchester United, dass man Trainer Erik ten Hag hinterfragt“, so Fjörtoft, „du hast auf der einen Seite ein Problem mit den Besitzern, die zwar viel investieren, die aber auch viel Geld aus dem Verein ziehen. Das Management ist ein Problem, es gibt keinen Head of Staff, ten Hag ist fast ganz allein, aber was auf ihn als Trainer geht: Die Mannschaft sieht unorganisiert aus.“

Sein verheerendes Urteil: „Man weiß nicht, was sein Plan ist und wenn er Spiele verliert, dann hat das nichts mit den Klubbesitzern zu tun, sondern mit dem Trainer. So einfach ist unser Geschäft.“
Stimmt. Die teilweise massiven Fan-Proteste gegen die 2005 eingestiegene US-Eigentümerfamilie Glazer sorgen permanent für Unruhe in Old Trafford. Sie können und dürfen allerdings nicht als Alibi für die sportliche Talfahrt herhalten.

Wenn man auf die Zahlen und die Entwicklung bei Manchester United blickt, dann fällt einem nicht mehr viel mehr ein als Nick Hornbys berühmter Buchtitel A long way down.

Angefangen hat alles mit dem Abschied der lebenden Trainer-Legende Sir Alexander Chapman Ferguson (81). Der kernige Schotte gewann mit United zwischen 1986 und 2013 insgesamt 38 Titel. Schwer bis unmöglich, für so ein Idol einen adäquaten Nachfolger zu finden! Ferguson machte das nonchalant und auf seine Art. Er rief seinen Landsmann David Moyes an und verkündete ihm am Handy, dass er sein Nachfolger bei Manchester United wird. Die Legende vom „Chosen One“ war perfekt, doch Moyes, der bei West Ham United tolle Arbeit macht, konnte nicht aus Fergusons Schatten heraustreten. Das wäre so ziemlich jedem Trainer misslungen.

Danach gaben sich die Star-Trainer die Klinke in die Hand: Aloysius Paulus Maria, genannt „Louis“ van Gaal, José Mourinho, Ralf Rangnick.

„The Special One“, José Mourinho, und Club-Legende Ole Gunnar Solskjaer („Ole’s at the Wheel“) hielten sich zwar länger als 900 Tage im Amt, doch den ganz großen Erfolg und auch den Glamour konnten sie nicht ins „Theatre of Dreams“ zurückbringen. Oder anders: Bei Manchester United geht die Posh schon lange nicht mehr ab!

Transfers ein „Werk der Ahnungslosen“

Im Gegenteil: In den letzten Jahren häuften sich Horror-Meldungen über Manchester United. Wenn man die Transfer-Politik in Old Trafford seit 2016 analysiert, stellt man fest, dass der Vorwurf, dass Transfers bei United „ein Werk von Ahnungslosen“ sind, gar nicht so weit hergeholt ist.

Der 105 Millionen Euro teure Rekord-Transfer Paul Pogba wurde ebenso zum Problem-Paul wie der für 85 Millionen Euro von Borussia Dortmund verpflichtete Jadon Sancho, der in Manchester nach einem Zerwürfnis mit ten Hag keine Zukunft mehr hat und wohl im Winter gehen wird. Harry Maguire machte man 2019 mit einer Ablöse von 87 Millionen Euro bis dato zum teuersten Abwehrspieler aller Zeiten.
Unter Ten Hag verlor er die Kapitänsbinde an Bruno Fernandes. Im Sommer 2023 wollte man Maguire nach einem riesigen Marktwert-Verlust verkaufen oder besser gesagt: Loswerden. Ein Transfer zu West Ham United scheiterte allerdings. Maguire, in der englischen Nationalmannschaft gesetzt, erhielt in dieser schwierigen Situation sogar Unterstützung von Man. United-Legende David Beckham. „Er hat sich mit mir in Verbindung gesetzt, das war wirklich nett von ihm“, sagte Maguire im Oktober 2023 der Times, „und ich habe das sehr geschätzt. Das hat mir viel bedeutet.“

Maguire als Gesicht der United-Krise? Manche mögen’s billig. Wer den verzweifelten Harry Maguire in Kopenhagen gesehen hat, weiß, dass der Typ sein letztes Hemd für United gibt!

Den letzteren tieferen Tiefpunkt gab es im August 2022, als Manchester United – schon unter der Regie von ten Hag und mit dem zurückgeholten Superstar Cristiano Ronaldo – nach einem 0:4 beim FC Brentford ans Tabellenende der Premier League stürzte.

„Herren gegen eine U9“

Das hatte es seit 1992 nicht mehr gegeben. Vereins-Legende Gary Neville damals bei Sky Sports: „Ich schaue United seit 42 Jahren zu und kann mich an keinen Moment erinnern, in dem ich das Gefühl hatte, dass es so schlecht war wie in dieser ersten Halbzeit. Es war wie Herren gegen eine U9!“
Der englische Rekordmeister verlor in Kopenhagen Wettbewerb übergreifend das neunte von 17 Saisonspielen, das passierte den stolzen Kickern aus Old Trafford zuletzt 1973/74 – und damals stiegen sie mit Trainer Tommy „The Doc“ Docherty († 2020) aus der First Division ab.

Wenn man das Abwehrverhalten von zwei gestandenen, hochdotierten Profis wie Raphael Varane und Harry Maguire sieht, die sich in Kopenhagen vor dem Elfmeter zum 2:2 durch Diogo Goncalves beide ein stümperhaftes Handspiel leisteten, dann spürt man die Verunsicherung bis hoch auf die Tribünen des PARKEN. Ein Verein auf der Suche nach sich selbst.

2006 durfte ich den ersten Coup des dänischen FCK gegen Manchester United (1:0) in der Champions League schreiben – und nun auch diese „verrückte, verrückte Nacht in Kopenhagen“ (BBC Sport) begleiten. Vor 17 Jahren hätte ich allerdings nicht mal im Traum daran gedacht, dass Fußballreisen Manchester United Anno 2023 zwar noch ins „Theater der Träume“, aber inzwischen zu einem Club führen, der die Zahlen eines Absteigers liefert.

Der Autor

Carsten Germann berichtet seit 2002 aus erster Hand über den englischen Fußball, u. a. für DIE WELT, BILD am SONNTAG und SPORT BILD sowie seit 1. April 2021 als leitender Redakteur bei Fussballdaten.de. Zudem gab er mit den Büchern Football’s home (2007) und Absolute Dynamite! (2010) zwei Sammelbände mit seinen Fußball-Reiseerlebnissen aus Großbritannien heraus. Für DIE FUSSBALLREISE schreibt er regelmäßig über den Insel-Kick.


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