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Autor: Carsten Germann
Veröffentlicht: 05.10.2023

Veröffentlicht in Premier League Offside

Premier League Offside: Die 150 Derby-Siege des FC Chelsea

Fußballreisen London – Sie führen in die Stadt der großen Derbys. Das kann keine andere europäische Hauptstadt bieten. Der FC Arsenal, Chelsea, Tottenham, West Ham United und der oft unterschätzte FC Fulham sorgen wöchentlich für Derby-Stimmung, Tickets für Arsenal oder Chelsea sind schwer zu ergattern. „Die Blues“ landeten am 2. Oktober 2023 ihren 150. Derby-Sieg in London. Ein Befreiungsschlag.

Was hat sich der FC Chelsea nach seiner erfolglosen Winter-Transfer-Offensive mit mehr als 330 Millionen Euro Ausgaben nicht alles anhören müssen?

„Cowboy mit verbogenem Colt“

Mit die schönste Metapher von der Bridge der Ahnungslosen hab ich am 4. Oktober in SPORT BILD gelesen. Der geschätzte Kollege Axel Hesse schrieb über den US-amerikanischen Chelsea-Eigentümer Todd Boehly: „Er führt sich in der Premier League auf wie ein Cowboy mit verbogenem Colt.“

Und das, so lehrt der Wilde Westen, ist selten gut gegangen. Fragen Sie mich aber bitte nicht, wie das real aussieht!

Jedenfalls: Am 2. Oktober 2023 war wieder Showdown. Wer zieht schneller im London-Derby? Chelsea gastierte beim FC Fulham, dessen nostalgisches Stadion Craven Cottage direkt an der Themse liegt. Die Fußballreise FC Fulham liegt für den Tross des FC Chelsea bei einem Weg von nur sieben Minuten.

Nostalgisch deshalb, weil man von einer Ecke im Stadion, zwischen Johnny Hayes Stand (Marathon-Olympiasieger von 1908 in London) und dem Putney End das gründerzeitlich anmutende Pavillon-Gebäude überblicken kann. Allein das Ambiente des Craven Cottage, Schauplatz des Europa-League-Halbfinal-Rückspiels 2010 gegen den HSV und fußläufig schnell erreichbare Pubs wie das Crabtree in der Rainville Road, machen eine Fußballreise FC Fulham zum Erlebnis.

Am Putney End, der Tribüne am Flussufer, sind die Gästefans zu finden – und sie hatten im Monday Night Game des 8. Spieltages Grund zum Jubel.

Der FC Chelsea landete seinen erst zweiten Saisonsieg – und das mit einem Star-Ensemble, für das man im Sommer 2023 noch mal mehr als 460 Millionen Euro an Transferausgaben investiert hatte. Moises Caicedo (116 Millionen Euro) von Brighton & Hove Albion und Romeo Lavia von Absteiger FC Southampton – Der 19-Jährige kostete 62 Mio. Euro – schnappte man dem Liga-Konkurrenten FC Liverpool vor der Nase weg.

Ähnlich waren die Chelsea-Macher im Januar 2023 bei der Personalie Mykhaylo Mudryk von Schachtar Donezk verfahren. Sie holten den ukrainischen Stürmer – und kamen dem Stadtrivalen FC Arsenal zuvor.

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Fußballreisen London: Das Derby FC Fulham gegen den FC Chelsea (0:2) wurde am 2. Oktober 2023 durch den ersten Premier-League-Treffer des Ukrainers Mykhaylo Mudryk entschieden. Foto: Imago / Colorsport

Chelsea und Mudryk lösen den gordischen Knoten

Doch die verkorkste Saison und die erste ohne Europacup seit 2016/2017 brachte nicht gerade Ruhe ins Umfeld an der Stamford Bridge. „Das blockiert die besten Spieler“, glaubte Axel Hesse völlig zu Recht.

Wie Mudryk, der 70 Millionen Euro Ablöse der siebtteuerste Spieler der Chelsea-Geschichte an und für sich ist. Bis zum „Auswärtsspiel“ in Fulham hatte er noch kein einziges Premier-League-Tor erzielt.

Dann aber passierte das, was man im Fußball oft nicht erklären kann. Plötzlich schalteten bei Chelsea alle Ampeln von Rot auf Grün. Hatten beim 5-maligen Premier-League-Meister zuletzt nicht einmal die einfachsten Dinge funktioniert, so war man nun plötzlich obenauf. „Die Blues“ nutzten durch Mudryk und den Albaner Armando Broja eine 62-Sekunden-Tiefschlafphase des FC Fulham zum 2:0 und zum Sieg. Nach 19 Minuten war das Derby entschieden. Oder anders: Sie hatten keine verbogenen, sondern die richtigen Colts mitgebracht.

Es wurde der 150. Sieg des FC Chelsea in einem London-Derby. Nur der FC Arsenal hat innerhalb Londons noch mehr Spiele gegen die Clubs aus der eigenen Stadt gewonnen (151 / Stand: 3. Oktober 2023).

33 Derby-Siege

Die meisten Derbys bestritt Chelsea in der Premier-League-Ära seit 1992 gegen den FC Arsenal und Tottenham (jeweils 62). Von diesen Spielen gewannen die „Blues“ 20 bzw. 33 (gegen die „Spurs“).
Arsenal ist mit 13 englischen Meistertiteln erfolgreichster Londoner Club, gefolgt vom sechsmaligen Titelträger Chelsea. Die beiden Meisterschaften der „Spurs“ liegen lange zurück: 1951 und 1961.
Gegen Arsenal spielte Chelsea erstmals 1907. Die Riesen-Rivalität zwischen diesen, auch in Europa erfolgreichen Clubs, wurde erst ab dem Jahr 2000 neu befeuert, als mit dem russischen Öl-Milliardär Roman Abramowitsch, der den Verein 2022 in Folge des Ukraine-Krieges verkaufen musste (siehe Premier League Offside – Polit-Krimi um den FC Chelsea), ein neuer Geldgeber an der Bridge auftauchte.

„Abramowitsch hat seine Kanonen in unserem Vorgarten geparkt und feuert nun mit 50-Pfund-Noten auf uns“, giftete Arsenals Vorstandsvorsitzender David Dein damals, im Juli 2003, als der stille Russe in London auftauchte.

Abramowitsch wilderte anfangs tatsächlich in der Premier League und warb Manchester Uniteds Vorstandschef Peter Kenyon und den früher für Tottenham tätigen Scout Frank Arnesen ab.
Arsenal verlor das 1.000. Spiel unter der Regie von Trainerlegende Arsene Wenger am 22. März 2014 mit 0:6 gegen Chelsea. Dennoch hat der Rivale aus dem Londoner Westend gegen die „Gunners“ insgesamt die schwächste Siegquote in den Derbys: Nur 32,3 Prozent.

Seitenwechsel zwischen Arsenal und Chelsea

Spieler, die für beide Großclubs spielten, waren unter anderem Ashley Cole, Nicolas Anelka, Cesc Fabregas, Emmanuel Petit, Olivier Giroud, Pierre-Emerick Aubameyang, Kai Havertz, Petr Cech und David Luiz.

Chelsea und Tottenham verbindet eigentlich keine „primäre“ Rivalität in London. Doch eine im Jahr 2012 durchgeführte Fan-Umfrage zeigte, dass die Fans der Nord-Londoner den neureichen Rivalen aus dem Westen der Stadt kälter verdachten, als sorglose Briten bislang angenommen hatten. Sie erklärten den Chelsea Football Club zum Vereinsfeind Nummer eins, vor Arsenal und Manchester United. Am 22. Dezember 2019 gewann der FC Chelsea seine erste Partie im neuen Tottenham Hotspur Stadium mit 2:0.

Für den FC Fulham ist Chelsea ebenfalls der Haupt-Rivale. Die „Cottagers“ standen lange im Schatten des großen Nachbarn aus London SW6. In diesem absoluten Nobel-Viertel, wo auch Promis wie Hugh Grant oder Naomi Campbell öfters mal gesichtet werden, hatten sich die Neureichen und die Yuppies lange Zeit den FC Chelsea als Favoriten ausgewählt. Die Bilanz gab ihnen Recht: Von 33 Premier-League-Spielen gewann Fulham gegen das große Chelsea nur zwei. Eines aber hatte es in sich und das war das 2:1 am 12. Januar 2023 mit dem Platzverweis für den 11 Mio. Euro teuren Leihspieler Joao Felix als tieferen Tiefpunkt für das Star-Ensemble von Todd Boehly.

Die Attraktivität des FC Fulham und auch die Rivalität veränderten sich mit dem Einstieg des ägyptischen Milliardärs Mohamed Al-Fayed († 2023 / „Ihr gebt mir den britischen Pass, ich gebe Euch Keegan“) im Jahr 1997. Fulham schaffte es 2001 in die Premier League.
Größter Erfolg war das Erreichen des Europa-League-Finales 2010 gegen Atlético Madrid (1:2 n. V.) in Hamburg. 2013 verkaufte Al-Fayed den FFC an den pakistanisch-amerikanischen Geschäftsmann Shahid Khan.

Chelsea und die London-Derbys – Keines der letzten sechs Stadt-Duelle hatte der Champions-League-Sieger von 2012 und 2021 gewonnen.

Dann kam Mudryk – und plötzlich geht bei der Mannschaft des argentinischen Trainers Mauricio Pochettino wieder der Posch ab.

Der Autor

Carsten Germann berichtet seit 2002 aus erster Hand über den englischen Fußball, u. a. für DIE WELT, BILD am SONNTAG und SPORT BILD sowie seit 1. April 2021 als leitender Redakteur bei Fussballdaten.de. Zudem gab er mit den Büchern Football’s home (2007) und Absolute Dynamite! (2010) zwei Sammelbände mit seinen Fußball-Reiseerlebnissen aus Großbritannien heraus. Für DIE FUSSBALLREISE schreibt er regelmäßig über den Insel-Kick.

 


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