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Autor: Carsten Germann
Veröffentlicht: 09.08.2023

Veröffentlicht in Premier League Offside

Premier League Offside: Seit Trevor Francis - Kleine Transfer-Historie aus England

Diese Nachricht ging im „Unser täglich Kane gib uns heute“ der deutschen Boulevardmedien regelrecht unter. Trevor Francis ist tot. Der Europapokal-Held von Nottingham Forest verstarb am 24. Juli 2023 in Marbella im Alter von 69 Jahren an einem Herzinfarkt. In Zeiten, in denen es bei Transfers der Premier League um dreistellige Millionen-Beträge geht, mutet sein Transfer-Rekord fast schon romantisch an. 

Wenn wir über Fußballreisen England sprechen, sind Transfers immer ein Gesprächsthema. Trevor Francis – Er war der erste Spieler, der in England die Schallmauer von einer Million Pfund durchbrach.

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Fußballreisen England: Enzo Fernandez vom FC Chelsea (m., hier im Champions-League-Spiel im Februar bei Borussia Dortmund) ist - Stand 10. August 2023 - teuerster Transfer der Premier League. Foto: Shutterstock.

39 Tore in 38 Spielen

Im Februar 1979 wechselte der an Detroit Express (keine Zeitung, sondern ein Fußballverein) ausgeliehene Stürmer von Birmingham City zu Nottingham Forest. Für die damalige britische Rekordsumme von einer Million Pfund. Zuvor hatte sich Francis mit seinem 23-Meter-Tor für Birmingham gegen die Queens Park Rangers (1977), bedrängt von vier Gegenspielern, in England nachhaltig in Erinnerung gebracht. In Amerika waren ihm in 38 Spielen 39 Treffer gelungen. Im gleichen Jahr machte er unter der Regie von Nationaltrainer Don Revie („The Don“) sein erstes von 52 Länderspielen für die „Three Lions“.
Kurios: Erstes Spiel, in dem Francis für Nottingham Forest und Trainer-Legende Brian Clough spielberechtigt war, war das Landesmeister-Finale am 30. Mai 1979 gegen Malmö FF (1:0) im Münchner Olympiastadion. Francis traf per Flugkopfball und brachte die „Tricky Trees“ erstmals auf Europas Fußball-Thron.

Das Finale ein Jahr später in Madrid gegen den HSV (1:0) verpasste er verletzungsbedingt. Trevor Francis konnte die hohen Erwartungen nach dem Millionen-Transfer nicht immer erfüllen. In 70 Liga-Spielen für Forest gelangen ihm zwar 28 Treffer, doch schon 1981 wurde er für eine Million Pfund an Manchester City abgegeben, wo er nur eine Saison blieb.

Nach „Superboy“ Francis, der mit 16 Jahren erstmals in Birmingham bei den Profis zum Einsatz kam, wechselte mit Anthony „Tony“ Woodcock im November 1979 – damals gab es noch kein „Transfer-Fenster“ – der nächste englische Star für über eine Million Pfund. Woodcock schloss sich für umgerechnet 1,25 Mio. Euro dem 1. FC Köln an. Kevin Keegan, der „King vom HSV“, war 1977 bei seinem sensationellen Wechsel vom FC Liverpool in die Bundesliga, sogar unter einer Million geblieben.

1992: Millionen für „Gazza“

Diese Zahlen änderten sich mit Beginn der 1990er-Jahre und der Ankunft des Fußballs im Fernseh-Zeitalter. Und zwar rasant. 1992 wurden mit der englischen Liga und dem Europapokal der Landesmeister zwei der wichtigsten Wettbewerbe novelliert. Ihre strategische und finanzielle Neuausrichtung und ihre weltweite Vermarktung machten die Champions League und die Premier League praktisch bis heute zu Lizenzen zum Gelddrucken.

Bevor es los ging, finden wir 1990 „den Don“ wieder, in diesem speziellen Fall Don Hutchinson vom FC Liverpool. Der Mittelfeldspieler wechselte am 30. August 1990 für 2,5 Mio. Pfund zu West Ham United.

Wenn wir über schillernde Spieler im englischen Fußball sprechen, kommen wir an ihm nicht vorbei: Paul Gascoigne. „Gazza“, das ewige Enfant terrible – ich bin ihm 2004 in Tottenham im Stadion-Foyer begegnet und war von seiner Höflichkeit und seinem Humor beeindruckt – ging für 7,4 Mio. Euro 1992 und unmittelbar vor Beginn der Premier-League-Ära zu Lazio Rom. Die Streiche des Paul Gascoigne in der ewigen Stadt, sie wären eine eigene Episode dieser Kolumne wert…

Ein „verlogener Drecksack“ für 13 Millionen

Ein Spieler, der wie Gascoigne auch außerhalb des Rasens für dicke Negativschlagzeilen sorgte und von France Football 2014 unter „Die 50 weltweit problematischsten Fußballspieler aller Zeiten seit den späten 1960er-Jahren“ aufgenommen wurde, ist Stan Collymore. Der Stürmer, der sich gegenüber dem britischen Massenblatt The Sun 2004 selbst als „verlogener Drecksack, der all das fußballerische Talent in einer unerfüllten Karriere verschwendet hat“ bezichtigte, wurde zum ersten Spieler der Premier League, der für einen zweistelligen Millionenbetrag die Clubs wechselte. 8,5 Mio. Pfund, umgerechnet 13 Mio. Euro, zahlte der FC Liverpool am 1. Juli 1995 an Nottingham Forest, das auch bei den Transfers von Francis und Woodcock im Spiel war. Ein spektakuläres Tor zum Start konnte Collymores Situation nicht nachhaltig verbessern – und schon 1997 wechselte er vom LFC zu Aston Villa.

50 Millionen Pfund – diese Marke fiel im WM-Sommer 2002. Manchester United verpflichtete den legendären Abwehrspieler Rio Ferdinand von Leeds United für umgerechnet 46 Mio. Euro. Nie zuvor war für einen englischen Spieler oder einen Defensivmann mehr gezahlt worden. „Big Rio“ wurde in Old Trafford zum Idol und zum Titel-Sammler, unter anderem mit 6 englischen Meisterschaften und dem Gewinn der Champions League (2008).

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Fußballreisen England: Trevor Francis (l.), hier im Oktober 1979 bei Nottingham Forest, war der erste Millionen-Transfer im englischen Fußball. Foto: Imago

Einen Spieler ausbilden - und dann für 105 Mio. Euro zurückkaufen

Bis zum ersten dreistelligen Millionen-Transfer, der einen Spieler in die Premier League führte, dauerte es bis 2016. Dann kam Berater-Legende Carmine „Mino“ Raiola († 2022) auf die glänzende Idee, den bei Manchester United ab 2009 ausgebildeten französischen Mittelfeldspieler Paul Pogba von Juventus Turin nach Old Trafford zurück zu transferieren. Das musst du erst mal bringen! Manchester United schlug ein – und der bis dato teuerste Transfer der Fußballgeschichte war perfekt. Bis 2022 spielte der spätere Weltmeister in Manchester.

Abgelöst wurde Pogba dann durch den – immer noch – teuersten Engländer aller Zeiten, Jack Grealish von Aston Villa. Manchester City zahlte für den Halbstürmer 2021 die neue Rekord-Ablöse der Premier League von 117,5 Mio. Euro. Ein Wert, der in Zeiten von milliardenschweren TV-Verträgen für die stärkste Liga der Welt und im Zeitalter der Investoren nicht lange Bestand hatte.

Schon 2022/2023 landete Chelsea „den Winter-Transfer“. Der argentinische Weltmeister Enzo Fernández von Benfica Lissabon kam am 31. Januar 2023 für 121 Mio. Euro nach London.

Ob das Fußball-Romantiker beruhigen wird, weiß ich nicht. Aber im Weltfußball waren fünf Spieler noch teurer als Fernández.

Der Autor

Carsten Germann berichtet seit 2002 aus erster Hand über den englischen Fußball, u. a. für DIE WELT, BILD am SONNTAG und SPORT BILD sowie seit 1. April 2021 als leitender Redakteur bei Fussballdaten.de. Zudem gab er mit den Büchern Football’s home (2007) und Absolute Dynamite! (2010) zwei Sammelbände mit seinen Fußball-Reiseerlebnissen aus Großbritannien heraus. Für DIE FUSSBALLREISE schreibt er regelmäßig über den Insel-Kick.


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